Tennessee Williams Klassiker mit Klasse dargeboten

(4. April 2014) Traumwelten und bittere Realität zeigt „Die Glasmenagerie“ von Williams. Das Schau-Spiel-Studio Oberberg brachte eine hervorragende Umsetzung des Melodrams in einer gelungenen Premiere am 4. April auf die Bühne.
Foto: Christian MelzerFoto: Christian Melzer Tennessee Williams ist ein Meister in der Darstellung menschlicher Frustrationen. So wie bei Laura, die ein kleines Handicap hat. Sie hat eine leichte Gehbehinderung und - ist schüchtern. Statt in die Schule zu gehen, flüchtet sie in Traumwelt ihrer Glasmenagerie, kleine Glastierchen, in denen das Licht sich bricht – so wie eine Vision, wie das Leben auch sein könnte. Ihr Bruder findet „Sie lebt in ihrer eigenen Welt, und das lässt sie für Leute von außerhalb ein wenig eigenartig erscheinen“. Mutter Amanda entrüstet sich dazu „Sag nicht eigenartig!". Doch er weiß, sie muss den Tatsachen ins Auge sehen „Sie ist es“. Besucher Jim philosophiert über das Leben und das „anders sein“ – und attestiert Laura, sie sei etwas Besonderes, weil sie so anders ist. Und auch Mutter und Bruder flüchten in Traumwelten aus ihrer bitteren Realität.

In seinem Stück "Die Glasmenagerie" beschäftigt sich Tennessee Williams mit dem Thema Realitätsflucht. Das zentrale Symbol dieses in den Südstaaten spielenden Familiendramas ist Lauras Glasmenagerie und insbesondere das Einhorn, ein scheues Fabelwesen, das selbst im Märchen als Außenseiter gilt. In dem berührenden und zugleich rebellischen Stück zeigt Williams Menschen, die an gegenseitigen Abhängigkeiten zu ersticken drohen und sich aus eigener Kraft nicht befreien können. Brutal und effektvoll schildert „Die Glasmenagerie“ die permanente Enttäuschung in einem unerfüllten Leben mit der lebenslangen Suche nach Trost und Geborgenheit. „Die Glasmenagerie“, ein Stück mit klaren Konflikten, präzisen Dialogen, Emotion im Übermaß. „Dinge haben die Tendenz schlecht auszugehen“ heißt es da auf der Bühne. Das expressive, melancholische Drama ist weltberühmt, nicht nur als Bühnenstück sondern ebenso durch hochkarätig besetzte Verfilmungen mit Katharine Hepburn oder auch Joanne Woodward, John Malkovich. Tennessee Williams Melodram ist nach 70 Jahren (Erstaufführung 1944) doch ein wenig in die Jahre gekommen. Im Schau-Spiel-Studio Oberberg hat Michael Labs den Schulstoff-Klassiker entstaubt.

Ein junger Mann vor Kinoplakaten. Regisseur Michael Labs hat Darsteller Jörn Wollenweber, der den Sohn Tom spielt, direkt vor diese Traumwelt gestellt. Der führt sozusagen in die Geschichte, die sich auf der Bühne abspielen wird, ein. Da ist seine Mutter Amanda, die gerne in Erzählungen über ihre Vergangenheit als junge, attraktive Frau, die umschwärmt wurde, abschweift. Und da ist seine Schwester Laura – mitten auf einem kleinen Blumenpodest umgeben von ihren Glasfiguren, die sie liebevoll und mit Hingabe säubert. Im Hintergrund Glasmusik, die die Zerbrechlichkeit der jungen Laura noch hervorhebt. Jeder flüchtet in seine eigene kleine Welt. Die brillante Sprache, die exakte Charakterisierung der handelnden Personen und die Dramatik der Ereignisse erlaubt dem Zuschauer ein unmittelbares Erleben mitten im Wohnzimmer der Wingfields. Die schrillen, ständigen disziplinarischen Anweisungen in Endlosschleife der Mutter – kaum zum Aushalten. Nur in den Erinnerungen wird ihr einstiger Charme spürbar. Angela Harrock wechselt zwischen Jugend- und Jetztzeit, zwischen Verführerin und trauriger Gestalt. Eine Paraderolle für die Darstellerin des Schau-Spiel-Studios Oberberg. Ob lasziv, wütend, besorgt, als dominantes Muttermonster oder sehnsüchtig in der Vergangenheit schwelgend – Angela Harrock lebt jede Facette ihrer Rolle auf der Bühne brillant aus. Den frustrierten Sohn, der dennoch Träume von einem anderen Leben hat, gibt Jörn Wollenweber. Grandios, wie er seine Rolle als Tom Wingfield spielt – in jeder Sekunde präsent. Auch als zuschauende Randfigur, wenn Tom seine Schwester total verschüchtert mit dem jungen Jim spricht. Neben diesen beiden Darstellern ist es für Kerstin Schwab als Laura und Sebastian Hein als Jim nicht einfach auf der Bühne zu bestehen. Aber sie meistern dies mit Bravour. Kerstin Schwab nimmt der Zuschauer dieses verhuschte, hyper-schüchterne Mädchen ab. Ihre Wandelbarkeit zeigt Schwab, als sie Bruder und Mutter ihre Erinnerung an die Freundin ihres ehemaligen Schwarms vorspielt – da wird die Schüchterne plötzlich ganz kokett. Und auch bei Jims Besuch stellt sie die Veränderung gekonnt dar. Sebastian Hein gibt den ehrgeizigen und von sich überzeugten Jim, der sich auch einfühlsam zeigen kann und selbst Schwächen hat – als Laura „auftaut“ fällt ihm plötzlich seine Freundin Betty ein.

Eine empfehlenswerte Aufführung, die an folgenden Terminen zu sehen ist: 05.04. ( 20 Uhr), 06.04. (18 Uhr), 30.04., 02.+ 03.05. (jeweils 20 Uhr), 04.05. (18 Uhr), 07., 09. + 10.05. (jeweils 20 Uhr), 11.05. (18 Uhr) sowie 16. + 17.05. (20 Uhr) im Schau-Spiel-Studio Oberberg in Wiehl.

Vera Marzinski

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