Rede zur Einbringung des Haushaltsplanes 2011 von Bürgermeister Werner Becker-Blonigen

(10. November 2010) Nachfolgend finden Sie die komplette Rede zur Haushaltseinbringung für das Jahr 2011, gehalten von Bürgermeister Werner Becker-Blonigen in der Ratssitzung am 9. November 2010.
Bürgermeister Werner Becker-BlonigenBürgermeister Werner Becker-Blonigen Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates der Stadt Wiehl,

sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem Haushaltsplanentwurf 2011 endet gleichsam ein Zyklus von drei Haushaltsjahren, die von der Finanzkrise, der Rezession und den Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt geprägt sind. Offenkundig erleben wir eine konjunkturelle Erholung, eine Beruhigung der Finanzmärkte und ein stabiles Wachstum, das voraussichtlich auch im kommenden Jahr anhalten wird. Es verbleiben Währungsrisiken, Geldmarktinstabilitäten und die vielen Fragen um Rohstoff- und Energieversorgung, um natürliche Ressourcen, Ernährung und vieles andere.

Vorausgesetzt, die wirtschaftliche Erholungsphase gewänne an Stabilität und wirkte sich auf die Kommunalfinanzen aus, würde frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres mit einer Verbesserung der kommunalen Steuerkraftentwicklung zu rechnen sein. Die Auswirkungen der Finanzkrise und der wirtschaftlichen Rezession hingegen werden uns in Teilbereichen, auch unseres kommunalen Geschehens, noch eine Weile begleiten.

I. Lage der Stadt Wiehl

Die Rahmenbedingungen für die weitere Entwicklung der Stadt Wiehl hängen in großem Maße von der Wertschöpfung ab, die in der Stadt selbst entsteht. Seit 1984 hatte die Stadt einen ausgeglichenen Haushalt, seit 1988 ist die Stadt abundant, das heißt, sie erhält keine Schlüsselzuweisungen nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz und entlastet damit die finanziell schwächer gestellten Kommunen. Der Steuerkraftrückgang in den Jahren 2009, 2010 und 2011 wird hieran voraussichtlich nichts ändern, da die verbleibende Steuerkraft noch nicht so stark absinkt, dass ergänzende Schlüsselzuweisungen vom Land gezahlt werden. Eine Kompensation von Einnahmeausfällen über das Gemeindefinanzierungsgesetz tritt daher zur Zeit nicht ein. Umso wichtiger ist die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in Münster zur Konnexität. Sie hat deutlich gemacht, dass der Grundsatz „Wer bestellt, bezahlt“ für die Erfüllung aller gesetzlicher Leistungsstandards Geltung hat und jedenfalls für die Zukunft zu beachten ist. Man darf gespannt sein, wie sich dies konkret bei der Refinanzierung der Kinderbetreuung für unter 3-jährige entlastend auswirkt. Es bleibt auch zu hoffen, dass die Bund-Länder-Gemeindefinanzkommission eine Kostenübername durch den Bund bei den großen Blöcken von Sozialtransferleistungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorgaben empfiehlt, um nachhaltig Entlastung der kommunalen Haushalte zu erzielen. Kurzum, für uns in Wiehl bedeutet diese Ausgangslage, dass wir uns selber helfen müssen und unser Ziel, eine für die Nutzer und die Allgemeinheit bezahlbare Infrastruktur vorzuhalten, mit unseren eigenen Einnahmen zu verfolgen. Dem Bevölkerungsrückgang, dem Schülerrückgang, den Wanderungsbewegungen in die Großstädte können wir auch in Zukunft mit dem Ziel, 10.000 versicherungspflichtige Arbeitsplätze in unserer Stadt zu haben, bezahlbares Wohnen zu ermöglichen, Ausbildung und Chancen zu eröffnen, Sport, Freizeit, Kultur und Soziales in einer familienfreundlichen Stadt zu fördern, begegnen. So werden wir unser rechnerisches Defizit von 5,5 Mio. € im Jahre 2009, 7,4 Mio. € im Jahre 2010 und das veranschlagte Defizit von 6,5 Mio. € für das kommende Jahr als „Verlust“ in das Jahr 2012 vortragen. Wenn alles gut geht, beginnt dann die Phase der Haushaltskonsolidierung. Ein Haushaltssicherungskonzept wird nicht aufgestellt werden müssen, gleichwohl fahren wir einen hieran orientierten Sparhaushalt. Voraussichtlich werden wir im kommenden Jahr unsere Ausgleichsrücklage aufgezehrt haben und die allgemeine Rücklage in Anspruch nehmen. Der Eigenkapitalverzehr wird sich möglicherweise in den kommenden Jahren fortsetzen, aber mittelfristig zum Stillstand kommen.

II. Erträge

Allenthalben wird aufgrund der konjunkturellen Erholung mit deutlich steigenden Steuereinnahmen gerechnet. Entsprechende Berichterstattungen häufen sich. Für die Stadt Wiehl sei nur gesagt, dass nach einem Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen um mehr als 60% jede Steigerung auf sehr niedrigen Basiswerten errechnet wird und sich von daher relativiert. Warten wir also die tatsächlichen Zahlen ab.

Ein Blick auf die erwarteten Steuereinnahmen in Höhe von 28,5 Mio. € zeigt die Spätfolgen von Finanzkrise und Wirtschaftsrezession. Während diese im Jahre 2008 noch bei 45,6 Mio. € lagen und im Jahre 2009 auf 32,2 Mio. € absanken, wird nun im Jahre 2011 die Talsohle beschrieben. Dabei gehen wir davon aus, dass die Grundsteuer B in der Stabilisierungstendenz fortschreitet. Dies wird maßgeblich von den Bauvorhaben in unseren Siedlungsschwerpunkten und im Gewerbegebiet Marienhagen beeinflusst. Die Einnahme von 3,54 Mio. € ist dabei konservativ gerechnet und verlässlich. Bei der Gewerbesteuer sind für 2011 13,5 Mio. € veranschlagt. Dieser Ansatz ist angesichts des momentanen Vorauszahlungssolls von 10,7 Mio. € optimistisch. Er birgt die Hoffnung, dass Zeichen der Erholung, aber auch der Konjunkturstabilität einiger Branchen in unserer Stadt dazu führen werden, dass in der zweiten Jahreshälfte Mehreinnahmen generiert werden können. Ansonsten sei darauf hingewiesen, dass die Gewerbesteuer in unserer Stadt von gut 400 steuerzahlenden Firmen und Einzelkaufleuten erbracht wird. Natürlich sind es dabei die Ihnen allen bekannten zwei Dutzend größeren Unternehmen, die in unserer Stadt die spürbare Haushaltsrelevanz bei der Gewerbesteuer auslösen. Daher muss es auch für die Zukunft von besonderem Interesse sein, Standortsicherung und Standortperspektive für unsere Unternehmen zu eröffnen. Dabei ist es in beiderseitigem Nutzen von Bedeutung, neben den „harten“ Standortfaktoren wie „Bau und Verkehr“ die „weichen“ Faktoren unserer schulischen, kulturellen und sozialen Infrastruktur mit zu vernetzen. Die Gewerbesteuer hat selbst jetzt, nach einer tiefen Rezession, für unsere Stadt immer noch ein überragendes Gewicht, das in besseren Zeiten auch noch steigen wird. Der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer ist mit 8,4 Mio. € veranschlagt. Da er keine reale Steuerbeteiligung ist, sondern eine verschlüsselte, die zudem noch bei Ledigen und Verheirateten mit 30. bzw. 60.000 € Jahreseinkommen gekappt ist, spielt die Arbeitslosenquote insofern eine Rolle, als dass möglichst viele Menschen mit Erwerbseinkünften Bürger in unserer Stadt sein sollten, denn hieran partizipieren wir. Auch der Multiplikator Einwohnerzahl spielt eine Rolle. Insofern wird auch jede Bemühung um Stabilisierung unserer Einwohnerzahl honoriert. Etwas anders setzt sich der Gemeindenanteil an der Umsatzsteuer zusammen. Auch hier gibt es einen Schlüssel, der sich aus mehreren Faktoren zusammensetzt. Einer davon ist die Zahl der versicherungspflichtig Beschäftigten in der jeweiligen Kommune. Insofern hat unser strukturpolitisches Ziel, im nächsten Jahr das 10.000ste versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis zu personifizieren und herauszustellen sogar noch einen finanzpolitischen Nebenaspekt. Lassen Sie mich heute darauf verzichten, den Familienlastenausgleich, die Konzessionsabgaben und Beteiligungserträge sowie die Zuweisungen im Detail zu erläutern. Für Interessierte verweise ich auf den ausführlichen Vorbericht und die Erläuterungen. Sie werden von Jahr zu Jahr transparenter und illustrierter, sodass unser Haushaltsplan die gewollte Transparenz eines NKF-Haushaltes bald erreicht, wenn auch noch die Kennzahlensystematik fortentwickelt wird.

III. Aufwendungen

Natürlich kann ein Sparhaushalt nicht ohne Bemerkungen zu den Aufwendungen vorgelegt werden. Ich möchte mich aber auch an dieser Stelle angesichts der ausführlichen Erläuterungen zu unserem Haushaltsplan kurz fassen. Mit Hilfe Ihrer beratenden und beschließenden Begleitung, die manche fruchtbare Ergänzung und Erläuterung beinhaltete, konnten zahlreiche Einsparmaßnahmen umgesetzt werden. Sie zeigen sich jetzt in einem um 500.000 € geringeren Aufwand für Sach- und Dienstleistungen. Die Personal- und Versorgungsaufwendungen werden für kommendes Jahr um 250.000 € niedriger veranschlagt. Hier kommt eine sehr vorsichtige und zurückhaltende Personalpolitik zum Ausdruck. Dabei möchte ich nicht verhehlen, dass wir personalwirtschaftlich eine Gratwanderung zwischen sparsamer Ausgabepolitik und dem Wunsch zur Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begehen. Die Mitglieder des Personalausschusses werden dies bestätigen können. Nur am Rande sei bemerkt, dass in dem jetzt beginnenden Jahrzehnt 36 unserer knapp 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem aktiven Dienst ausscheiden werden und in dem dann folgenden Jahrzehnt bis zum Jahr 2030 werden es weitere 76 sein. Dies bedeutet, dass in den kommenden 20 Jahren weit mehr als die Hälfte unserer Belegschaft in den Ruhestand tritt. Dies wird ein großes Problem für die Personalplanung und für den Anspruch auf Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Kommunalverwaltung. Auf die Kommentierung der gesunkenen Gewerbesteuerumlage möchte ich ebenso verzichten wie auf den sinkenden Zinsaufwand oder die konstanten Sozialausgaben. Auch möchte ich mich dieses Jahr nicht mit dem erwähnenswerten Faktor „bilanzielle Abschreibung“ auseinandersetzen. Hierzu wird vielleicht an praktischen Beispielen in den kommenden Jahren noch einmal Gelegenheit sein. Auch sei bemerkt, dass unter sonstigen ordentlichen Aufwendungen, also dem eigentlichen reinen Verwaltungsaufwand kommunaler Selbstverwaltung, eine Einsparung von 200.000 € geplant ist. Die Zuschüsse für den schulischen Bereich, den Kultur- und Kindergartenbereich und den Jugendhilfebereich möchte ich aufgrund der eng kalkulierten Zahlen so stehen lassen. Vielleicht wäre noch der Hinweis gestattet, dass in der U3-Betreuung, aufgrund der eingangs zitierten Rechtssprechung, möglicherweise eine Kostenentlastung für uns eintreten könnte.

Eine Bemerkung zum Umlagewesen sei mir jedoch anhand der nicht vermeidbaren Zahlung an den Kreis gestattet. Zunächst sei aber zum reinen Zahlenwerk des Haushaltsentwurfes 2011 darauf hingewiesen, dass die Differenz zum Vorjahr bei der Kreisumlagelast dadurch entsteht, dass der Aufwand für die Kreisumlage für das Jahr 2010 zu hoch angesetzt worden ist. Tatsächlich umfasste er nur 14,1 Mio. € und nicht 14,8 Mio. €, weil der Kreistag, anders als ursprünglich von der Verwaltung vorgesehen, einen geringeren Hebesatz festgesetzt hatte. Nunmehr ist jedoch eine Steigerung von knapp 6 Prozentpunkten vorgesehen. Ob der Kreistag diesen Beschluss vom März dieses Jahres bei der Verabschiedung des Kreishaushaltes für das Jahr 2011 bestätigen wird, ist schwer abzusehen, jedenfalls gehört es zu den Grundsätzen eines sorgsamen Kaufmanns, diese Absicht ernst zu nehmen und sie einzukalkulieren. Nun mag man angesichts unseres Haushaltsansatzes von 13,6 Mio. € den Dingen gelassen entgegen sehen, weil die tatsächliche Umlagelast sinkt. Dies ist jedoch ein Trugschluss, denn sie sinkt nur, weil unsere Steuerkraft überproportional gesunken ist. In Relation zu unserer gesunkenen Steuerkraft ist diese Ausgabe eine erhebliche Steigerung. Sie macht das ganze Dilemma des kommunalen Finanzierungssystems deutlich. Der Kreis und damit auch inzident der Landschaftsverband erlebt in Teilen eine fulminante Steigerung der sozialen Transferaufwendungen. Dies sind:
  • die Kosten für Unterkunft und Heizung für Langzeitarbeitslose und ihre Familien
  • die Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen
  • die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
  • die Kosten der Hilfe zur Pflege
  • die Ausgaben bei der Kinder- und Jugendhilfe. Sie treffen die Stadt Wiehl unmittelbar, andere Kommunen trifft dies über die Jugendamtsumlage.
Bundesweit werden diese Gesamtaufwendungen mit etwa 55 Milliarden € beziffert. Samt und sonders sind sie die Folge von gesetzlichen Vorgaben, Umsetzungsrichtlinien und formulierten Standards. Ursächliche Defizite sollten dort verbleiben, wo sie entstehen und von dem getragen werden, der sie verursacht. Meines Erachtens ist es der falsche Weg, diese vom Bund verursachten Kostenexplosionen über das kommunale Umlagewesen nach unten abzuladen. Der ständige Unfriede, das äußerst emotionale Streiten um das Geld in der kommunalen Familie ist die Folge davon. Und dann kommt noch etwas hinzu. Während der Kreis einerseits als Kommunalaufsicht und untere staatliche Verwaltungsbehörde im Rahmen der Haushaltsüberwachung strenge und strengste Maßstäbe an die Kommunalhaushalte anlegt, hat er sich bislang selbst erfolgreich dagegen gewehrt, seinen Haushalt nach den Maßstäben eines Haushaltssicherungskonzeptes aufzustellen. Letzteres hat der Rheinisch-Bergische Kreistag beschlossen und die Kreisverwaltung umgesetzt. Ich verstehe nach wie vor nicht recht, warum dies nicht auch bei uns möglich sein sollte. Ich wäre daher allen Kreistagsabgeordneten dankbar, wenn sie diese Anregung, die ja in politischen Kreisen nicht ohne Sympathie gesehen wird, mit einer gewissen Hartnäckigkeit weiter anmahnen.

IV. Investitionen

Wie aus dem Finanzplan, der die investiven Auszahlungen und die dazugehörigen Einzahlungen darstellt, ersichtlich wird, ist im kommenden Jahr das Volumen stark zurückgefahren worden. Hilfreich ist dabei die Tatsache, dass größere Investitionen, wie z.B. der U3-Ausbau in Wiehl und Mühlen, der Durchstich Bahnhofstrasse, das Gewerbegebiet Kahlhambuche oder die Überbauung der Pausenhalle des Gymnasiums, in früheren Haushaltsplänen eingestellt wurden. Hinzu kommt, dass große Teile des Konjunkturprogramms II abgewickelt werden konnten. Möglicherweise wird der Bahnübergang Bielstein noch zu einem Nachfinanzierungsbedarf aus dem allgemeinen Haushalt führen. Die Mittel aus dem Konjunkturprogramm werden sodann anderweitig in Anspruch genommen werden. Das Ziel des Finanzplanes bleibt der weitere Schuldenabbau und der Verzicht auf neue Kreditaufnahmen. Die Investitionen werden samt und sonders aus Pauschalzuweisungen und Verkaufserlösen refinanziert. Sowohl die Energiesparmassnahmen, als auch notwendige Investitionen in Kindergärten und Schulen sowie zuletzt die Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit unserer freiwilligen Feuerwehr, sind gewährleistet. Sollte sich die Politik des Verzichts auf Aufnahme neuer Kredite durchhalten lassen, wird die Stadt Wiehl im Jahre 2030 im Kernhaushalt schuldenfrei sein. Diese Aussicht wird natürlich durch die starke Verschuldung des Abwasserwerkes getrübt. Hier „lagern“ 25 Mio. € Verbindlichkeiten. Deren Abbau hängt sehr stark an den finanziellen Auswirkungen weiterer Sanierungsnotwendigkeiten und weiter verschärfter abwasserrechtlicher Vorschriften, deren Ursache in der Umsetzung von EU-Recht liegt. Die 5 Mio. € bzw. 6 Mio. € Verschuldung bei BEW und Stadtwerke schmelzen in einem langfristig angelegten Prozess weiter ab. Die 1,3 Mio € Verschuldung der FSW sind zur Zeit leider „stabil“. Die Pro-Kopf-Verschuldung in der Stadt Wiehl inklusive der Eigengesellschaften beträgt damit 2.060 €. Wir liegen damit 33% unter dem Landesdurchschnitt. Um allerdings etwas klarzustellen, sei darauf hingewiesen, dass die Politik der Entschuldung mit dem Ziel verfolgt wird, Spielräume für strukturpolitische Investitionen notwendiger Art aufzubauen. Welche dieses sein werden, muss noch diskutiert werden. Jede die Neuverschuldung begründende Investition muss schlüssig und überzeugend dargelegt werden können. Letztlich ist ein solcher Kraftakt neben der politischen Beratung und Entscheidung auch ein Akt kommunalaufsichtlicher Zustimmung.

V. Strukturen

Es gibt ein paar Dinge, die nachdenklich stimmen und zu weiteren Überlegungen Anlass geben. Sie entstehen, wenn man mit gewissem Abstand die Entwicklung der oberbergischen Region betrachtet und sich dabei die Frage stellt, wie die Stadt Wiehl sich in Zukunft im Kontext zur Umgebung aufstellen will. Während sich die „nördliche Halbkugel“ um uns herum vom Engelskirchener Christkind über das Metabolon, das Freilichtmuseum Lindlar, das Steinmüllergelände, das Gumbala und das Montemare inklusive der Gewerbegebiete Klause, Sonnenberg und Wehnrath präsentiert, wird unsere „südliche Halbkugel“ von der Denklinger Burg, dem Erlebnispark Nutscheid, dem Vieh- und Krammarkt in Waldbröl, dem Schloss Homburg, der beabsichtigten Landesgartenschau und den Aktivitäten der Gemeinde Much abgebildet. Mittendrin liegt die Stadt Wiehl mit ihren 51 Dörfern, ihren engagierten Bürgerinnen und Bürgern, ihrem reichhaltigen Kulturangebot, ihren Freizeit- und Erlebnisangeboten, ihren profilierten familienfreundlichen Strukturen, ihren lebendigen Ortskernen und Dorfgemeinschaften und ihren 10.000 Arbeitsplätzen. Wiehl zeichnet sich nach Jahrzehnten notwendiger schneller Entwicklung heute mehr denn je durch Beständigkeit und Verlässlichkeit aus. Dass der Grundsatz „Rahmenbedingungen zu schaffen und private Investitionen zu ermöglichen“ zu einem erfolgreichen Grundsatz städtischer Entwicklung geworden ist, zeigt das Bild der vergangenen 50 Jahre. Wenn heute, von der öffentlichen Wahrnehmung nur schwach bemerkt, im Wiehler Ortskern 60 Eigentumswohnungen entstehen und im Süden Wiehls 82 Seniorenplätze in einer Seniorenwohnanlage, wenn in Bielstein die Sanierung des Bielsteiner Hauses mit 24 Wohnungen und Geschäftsflächen in Angriff genommen wird sowie die Sanierung der ehemaligen Industriebrachen „Krämer“ und „Burbach“ abgeschlossen sind, wenn in Drabenderhöhe Investitionen in Wohnungsbau, Gewerbe und Einkaufen getätigt werden und eine Vitalisierung der Siebenbürger Siedlung erfolgt, wenn in zahlreichen Orten, trotz der demografischen Schwierigkeiten auch noch Baulücken geschlossen werden, dann stellt sich für mich die Frage, ob es nicht unsere zu förderste Aufgabe sein muss, erfolgreiche Strukturen den Standortkriterien der Gegenwarts- und Zukunftsbevölkerung anzugleichen. Der Blick darf dabei nicht auf den engen Grenzen der eigenen kommunalen Einheit verharren. Wiehl hat immer in die Nachbarschaft hineingewirkt und für die Nachbarschaft Leistungen erbracht. Daher sollte auch die Fortentwicklung unserer Bäderstruktur genau diese Zielrichtung verfolgen. Der Grundgedanke eines ganzjährigen Badebetriebes im Zusammenhang mit dem Eishallenareal liegt nahe und sollte in der konzeptionellen Beratung alsbald abgeschlossen werden. Ich halte dabei nichts von emotionalen Standortüberlegungen, die nachher in der Realität nicht durchgehalten werden können. Man muss auch Orten ihre Identität lassen. Wenn der Sommertreffpunkt für Jung und Alt mit zahlreichen Besuchern aus der Umgebung nicht nur das Wiehler sondern auch das Bielsteiner Freibad ist, dann müssen hierfür bezahlbare und verkraftbare Lösungen gefunden werden. Das Gleiche gilt auch für die Alleinstellungsfunktion der Wiehler Eishalle und ihrer Attraktion für zahlreiche Menschen aus unserer Region. Und noch einen Hinweis auf den Wiehler Weg. Wir haben darauf verzichtet, das Konjunkturprogramm II für wünschenswerte Projekte zu nutzen. Sie werden sich erinnern, dass es ein Konjunkturprogramm I gab, das nur für HSK-Gemeinden zur Verfügung stand. Viele haben darüber ihre energetischen Probleme gelöst. In Wiehl haben wir mit den zur Verfügung stehenden Mitteln konsequent die energetische Gebäudesanierung betrieben, die schulischen Bedingungen verbessert und die gerade auf das Handwerk zielende Beschäftigungswirksamkeit in der schon fast vergessenen Rezession erzielt. Dass bei der Gelegenheit noch einige Kunstrasenprojekte übrig geblieben sind, soll nicht heißen, dass Kunstrasen nur in finanzschwachen oder überschuldeten Gemeinden Realität werden kann. Der Wiehler Weg war der Weg einer Hilfe zur Selbsthilfe für die Vereine, die die Kunstrasenprojekte zu einer Revitalisierung ihres eigenen sportlichen und menschlichen Zusammenhalts genutzt haben. Daher wird die Stadt Wiehl auch in Zukunft keinen Verein „im Regen stehen lassen“. Es muss aber auch an langfristige Folgen und deren Verkraftbarkeit gedacht werden. In 15 Jahren steht der neue Kunstrasen an. Bereits heute ist aber auch erkennbar, dass dem Erhalt unserer Strukturen und der bislang weit über den gesetzlichen Rahmen hinausgehenden Mitwirkung der Kommune noch einiges abverlangt werden muss. Der Rat der Stadt Wiehl wird in den kommenden Monaten noch das eine oder andere Problem zur Beratung und Entscheidung serviert bekommen, das die Diskussions- und Problemlösungskultur in unserem Rat auf die Probe stellen wird. Grund zu Ängstlichkeit sollte aber deswegen wahrlich nicht aufkommen.

VI. Schluss

Als zusammenfassende Momentaufnahme möchte ich feststellen, dass wir dabei sind, die Sohle des haushaltswirtschaftlichen Tals der Tränen zu durchschreiten. Mittelfristig wird die Stadt Wiehl nicht nur ihre Handlungs- sondern auch ihre Gestaltungsfähigkeit wieder erlangen. Das Markenzeichen familienfreundliches, bildungs- und ausbildungsfreundliches, kultur- und sportbetontes sowie mitmenschliches Wiehl wird uns entscheidend weiterbringen. Wir müssen in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens eine Willkommenskultur fördern, denn Menschen locken bekanntlich Menschen an, mehr als Steine und Maschinen es bewirken können. Wiehl hat eine Zukunft als Wohn- und Arbeitsstandort. Die Kommune hat eine Perspektive, solange sie sich als Verantwortungsgemeinschaft für Jung und Alt, für Arm und Reich und für alle Menschen darstellt, die an unserem „Projekt Wiehl“ mitwirken wollen. Ich darf heute schließen mit einem leicht abgewandelten Zitat von Wolfgang Schäuble, das sich auf die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft bezog, das aber für alle Verantwortungsebenen gilt. Er sagt: „Wir müssen die Prinzipien, für die wir stehen, leben, vorleben, wiederbeleben. Viele Bürgerinnen und Bürger fragen sich, ob „denen da oben“ Werte wie Ehrlichkeit, Fairness und Gemeinsinn noch wichtig sind.“ Wenn wir in diesem Sinne versuchen, uns um die Lösung unserer Probleme in unserer Stadt zu bemühen, dann werden wir vieles richtig gemacht haben. Messen lassen müssen wir uns hieran ohnehin, aber vor allem von denjenigen, die diese Werte in ihrem Engagement in unserer Stadt teilen.

Hiermit übergebe ich Ihnen den Haushaltsplan 2011 zur Beratung und Beschlussfassung.