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SEITE 11ALLGEMEIN


"Lust aufs Land?"
Am 5. Oktober in Eiershagen.

Es ist schon erstaunlich, wie viel Aktivitäten in einigen oberbergischen Dörfern entwickelt werden durch ehrenamtliche Arbeiten der Bewohner. Unser Redakteur Herr Rauhut hat im Sommerheft der Info-OASe sehr schön die Aktivitäten Merkhausens beschrieben. (Die Redaktion wurde dafür zum Kaffee eingeladen in das schöne Dorfgemeinschaftshaus und liebevoll bewirtet. Herzlichen Dank!)



Eiershagen gehört nun nicht zum Stadtgebiet Wiehl, sondern zur Gemeinde Reichshof; aber es ist so nahe, und ich habe es als einen ganz besonderen Ort kennen gelernt. Liebe Freunde hatten mich für den 5.10.03 eingeladen und fuhren mit mir zum Dorfaktionstag nach Eiershagen. Das Wetter war herbstlich kühl und es waren Graupelschauer und Dauerregen angesagt, so dass meine Freunde glaubten, keinerlei Probleme beim Parken des Autos zu haben. Doch da hatten wir uns geirrt. Wir waren schon am Vormittag im Ort und fanden nur weit draußen einen Parkplatz. Später zog sich die Autoschlange bis Rölefeld und Denklingen und in der Zeitung stand am nächsten Tag: "Eiershagen wurde regelrecht gestürmt!" Beim Rundgang erlebte ich eine Überraschung nach der anderen. Im Garten einer schönen Jugendstilvilla sah ich interessante Skulpturen verschiedener Künstler und eine Bonsai - Ausstellung. Im Gartenhaus der Villa lasen oberbergische Autoren aus ihren Werken und um Besucher zu animieren, hatten sie sich etwas Originelles einfallen lassen. Einige ihrer Texte baumelten an langen Fäden von den Ästen einer schönen Rotbuche am Eingang des Gartens.
Im Vorgarten eines schönen, alten Fachwerkhauses sah ich lebensgroße, fröhliche Pappmaché - Figuren. Auf der Veranda des Hauses sang ein afrikanischer Chor und sammelte für ein Krankenhaus im Kongo. In der großen Scheune gab es wunderschön bestickte alte Wäsche und Möbel zu kaufen. Überall im Dorf wurde gehämmert, Flachs und Wolle gesponnen, Keramik, Honig, Nusslikör und Honigkerzen wurden verkauft, und immer wieder sah man Kunstwerke vor Häusern, in Gärten. Obgleich nun sehr viele Menschen im Dorf waren, gab es kein Gedränge, Geschubse oder Anstehen. Nur in der Scheune, wo die Künstlerin Franziska Becker ihre Bücher signierte und verkaufte, musste ich Schlange stehen. Aber das lag daran, dass die Zeichnerin der "Emma" in jedes Buch in Windeseile eine ihrer charakteristischen Figuren malte mit einer Widmung. Da schaute man gerne zu und wenn dann noch Alice Schwarzer und Marie-Luise Kreuter auftauchten zur Begrüßung, so war das ja auch etwas Besonderes. So nahe kommt man bekannten Schriftstellerinnen nicht oft.
Weil ich so gut wie nicht mehr laufen kann, konnte ich nicht alles sehen. Ich zog mich in eine Scheune zurück, in der es Kaffee und wunderbaren selbstgebackenen Kuchen und Waffeln gab. Meine Freundinnen berichteten dann vom Besuch des Umweltbusses "Lumbrikus", der vor allem interessierten Jugendlichen Naturschutz nahe bringt. Am Stand für Agrarordnung wurde den Besuchern der Sinn des Dorfaktionstages erklärt: "Wurzeln in einer globalisierten Welt!" Das, finde ich, ist ein schöner Titel und ich kann mir vorstellen, dass man in einer so engagierten, künstlerischen und der Umwelt verpflichteten Umgebung gerne Wurzeln schlägt.
Der 5. Dorfaktionstag war für die Bewohner Eiershagens ein voller Erfolg, ein verdienter Lohn für die monatelangen Vorbereitungen, und für mich ein sehr schönes Erlebnis.
H. Janas

LOKALESSEITE 12


"Mit drei Schnitten Brot
und 35 Gramm Nährmittel der Oberbergische Kreis beginnt bei Null"


Der von Goebbels 1943 ausgerufene "Totale Krieg" endete 1945 mit der totalen Niederlage Deutschlands. Am 9. Mai 1945 besetzten amerikanische Truppen den Oberbergischen Kreis. Das Schlimmste war nun vorüber, aber den Alltag bestimmte weiterhin die Sorge um das Überleben, um die tägliche Nahrung. Es hieß, der Deutsche hofft nicht, der Deutsche hungert und friert. Nach der "Stunde Null" gab es wenig zu essen. Während des Krieges konnte die deutsche Landwirtschaft ihre Erzeugung ungefähr auf dem Vorkriegsstand halten. Sie sank nach dem Zusammenbruch durch fehlende Düngemittel, durch Vieh und Saatgutmangel und andere Einflüsse. Hinzu kam der Verlust Ost und Westpreußens, Pommern und Schlesiens. Und das bei einer durch Flucht und Vertreibung erhöhten Bevölkerungszahl in Rest Deutschland. Der Hunger der Deutschen war vorprogrammiert.

Um die Ernährungslage zu bessern, brachten die Amerikaner 1945 ca. 600.000 Tonnen Getreide in die Westzonen. Diese Menge reichte nicht aus, um eine minimale Ernährung der Deutschen zu sichern.

Mit Beginn des Krieges 1939 wurden in Deutschland Lebensmittelkarten und Bezugsscheine eingeführt, um jedem Deutschen eine bestimmte Menge von Nahrungsmitteln zu sichern - kein Überfluss, zum Leben gerade ausreichend. Dieses Verteilungssystem wurde nach dem Zusammenbruch 1945 beibehalten. Durch die schon erwähnte zwangsläufige Verringerung der Anbauflächen und die Zunahme der Bevölkerung wurde die Ernährungsfrage katastrophal. Im Mai 1945 tauchte bei Morsbach der aus Amerika stammende Kartoffelkäfer auf und gefährdete die Ernte. Es wurden großangelegte Kartoffelkäfersammelaktionen durchgeführt. Dieser Vorgang wiederholte sich 1947 und 1949. Da die Deutschen entwaffnet worden waren, durften sie nach1945 keine Jagdwaffen besitzen und Wildschweinhorden verwüsteten die Felder.

Der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Köln, zu dem das Oberbergische gehörte, bemühte sich um eine einheitliche Versorgung mit Lebensmitteln. Da nichts zum Verteilen da war, kam es zum bösen Schlagwort vom "gleichmäßigen Verteilen des Hungers". Mit 3 Schnitten Brot und 35 - 40 Gramm Nährmittel war der Hunger nicht zu stillen. 1180 Kalorien für einen erwachsenen Menschen waren völlig unzureichend.

Ein allmählicher Kräfteverfall machte sich in der Bevölkerung bereits bemerkbar. Ein Arbeiter war nicht mehr in der Lage, die notwendige Menge an Broten mit zur Arbeitsstelle zu nehmen. Das Leben der Deutschen hing von der Berechnungseinheit "Kalorie" ab und die Zuteilungen auf den Lebensmittelkarten waren gestaffelt in: Normalverbraucher, Kinder, Arbeiter, Schwer und Schwerstarbeiter. Da die meisten Deutschen Normalverbraucher waren, entstand das geflügelte Wort von "Otto Normalverbraucher".


Warteschlangen beim Einkauf

Im September 1946 - Gemeindechronik Engelskirchen - standen einem erwachsenen Normalverbraucher als Tagesration zu: 300g Brot, 460 g Kartoffeln, 15 g Fleisch, 11 g Fett und 6,5 g Käse. Milch, Zucker, Fisch, Eier und Marmelade waren für diesen Monat gestrichen. Zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit hätte ein arbeitender Bürger als Minimumm für den täglichen Bedarf 65 g Fett und 75 Eiweißnahrung (Fleisch, Fisch, Eier) benötigt.
Obwohl das Erfassungs und Verteilungssystem für Lebensmittel und Gebrauchsgüter aller Art in Kraft trat, kam es zu Übertretungen dieser Verordnungen und Gesetze. Viele Bauern sahen die ordnungslose Zeit als Anlass dazu, nun Vieh schwarz zu schlachten und es als gestohlen zu melden - was tatsächlich bei vielen zutraf - um sich und Freunde mit Fleisch zu versorgen. Und ebenso geschah es mit anderen Lebens-mitteln wie Getreide, Mehl, Ölfrüchten, Kar-toffeln usw. Um eine Übersicht über die Viehbestände zu erhalten, ordnete der Kreis in allen Gemeinden eine Viehzählung an.
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