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Viel Anlaß zu danken.
Frau Dr. Renate Wald, emeritierte Professorin, war während ihrer Berufszeit als Sozialwissenschaftlerin an der Bergischen Universität Wuppertal tätig. Jetzt ist sie Bewohnerin des Altenzentrums Bethlehem-Tabea in der Wülfringhausenerstraße, Wiehl. Sie ist ständig bettlägerig. Ihre schwere Krankheit erlaubt es ihr nicht, sich ungehindert außerhalb des Bettes zu bewegen. Lesen und Schreiben sind nicht mehr möglich, und sie bedarf ständig intensiver Pflege und Fürsorge. Unser Redakteur Günter Rauhut durfte sie besuchen und bemerkenswerte Gespräche mit ihr führen. Die Autorin des Buches "Die Wiehler Urgroßmutter und ihre Verwandtschaft" spricht zwar langsam, aber mit vorzüglicher Präzision und glänzender Ausdrucksweise. Hat man sich eine gewisse Zeit mit ihr unterhalten, stellt sich sehr bald die Frage, woher sie denn die Kraft nimmt, an verschiedensten Ereignissen, z. B. kultureller Art, nach wie vor interessiert teilzunehmen.
Einen wesentlichen Teil der Antwort findet man beim aufmerksamen Lesen des vorerwähnten Buches, das sie vor nicht sehr langer Zeit noch schreiben konnte. Es ist sicher die Verwurzelung in Vergangenheit und Geschichte der Vorfahren mit allen guten und auch weniger erfreulichen Seiten. "Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten" - diese Worte unseres ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker scheinen, wenn also auch unbewußt, wesentliche Leitlinie ihres bisherigen Lebensweges gewesen zu sein.
Sitzt man bei ihr am Krankenbett und befragt sie nach ihrem Befinden, so ist die Antwort fast immer: "Danke, es geht mir gut". Und es wird dann nicht mit Lob gespart für Pflegepersonal und Verpflegung im Hause Bethlehem-Tabea.
Der letzte Satz ihres Werkes lautet: "Ich habe viel Anlaß zu danken und weiß das." Oft wird der derzeitige Mangel an Vorbildern in unserem öffentlichen Leben beklagt. Heiner Geisler sagt: "Wir brauchen eine Renaissance des Ethischen". Hier könnte man im allerbesten Sinn des Wortes fündig werden.
Günter Rauhut
Sommer
Der Abend naht, die Felder ruhn,
des Bächleins Murmeln hört man nun,
das sonst im Tagwerk untergeht.
Die Wiesen schlafen halb gemäht,
das Lied der Sense ist verweht.
Des Schnitters Ruf, der Hunde Laut
Verklungen, bis der Morgen graut.
Der Erntetag im Juniheu
Verging und wird erst morgen neu.
Da strömt ein Duft ins Tal hinunter
Vom wilden Thymian und Holunder.
Von Minze und von Heckenrosen
Will uns ein sanfter Hauch umkosen.
Am Horizont in klarer Ferne
Da blinken schon die ersten Sterne.
Bald kommt der Mond auf leisen Schuh'n,
der Abend naht, die Felder ruhn.
Matthew Arnold (1822 - 1888)
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