Die christliche Palästinenserin Faten Mukarker aus Beit Jala zu Gast in Wiehl

(12. Dezember 2013) Am Montag, den 18. November 2013 konnte der Freundeskreis Wiehl/Jokneam erneut einen besonderen Gast in der Sparkasse Wiehl begrüßen, die, wie schon so oft, Gastgeber und Unterstützer einer interessanten Begegnung war.
Faten Mukarker - Foto: Christian MelzerFaten Mukarker - Foto: Christian Melzer Mit Faten Mukarker konnte der Vorsitzende des Freundeskreises Gerhard Hermann eine Zeitzeugin begrüßen, die als palästinensische Christin aus Beit Jala bei Bethlehem von einer anderen Seite der israelisch-palästinensischen Leidensgeschichte zu berichten wusste und mit ihrer persönlichen Betroffenheit viele Anwesende tief berührte.

Sie stünde hier als Palästinenserin und könnte nur von ihrer Wahrheit der Geschichte berichten, „stünde hier eine Israelin, wäre auch die Geschichte eine andere..“ so die Mutter von vier Kindern, die –in Deutschland aufgewachsen- nun in einem durch eine ca. 10 Meter hohe Mauern abgesperrten Ort lebt.

„Als ich hier [in Deutschland] landete, fühlte ich mich wie in einer anderen Welt, einem anderen Jahrhundert, wo sogar Tiere Rechte haben…“. Als Mukarker ihren Koffer bei der Weiterreise in dem überfüllten Zug stehen lässt, um sich einen Platz zu suchen, hätte sie allerdings erfahren, dass auch hierzulande ein unbeaufsichtigter Koffer mit Engeln aus Olivenholz die Leute erblassen lasse… Mukarker erzählt, dass sie in Bethlehem geboren aber schon mit wenigen Monaten nach Deutschland ausgewandert sei. Schon seit 150 Jahren wanderten die Christen aus dem „heiligen Land“ aus. Palästina sei schon immer ein „viel besuchtes“ Land gewesen, von den Römern bis zu den Briten, doch seit der Herrschaft der Osmanen wären aufgrund der damaligen großen Armut die meisten Christen aus Palästina ausgewandert. So hätte sich der christliche Bevölkerungsanteil von noch 20% Anfang des 20. Jahrhunderts auf aktuell nur noch 1,4% reduziert.

Auch Ihr ältester Sohn, Fu'ad, wanderte im Jahre 2000 nach Boston aus, nachdem dieses Jahr zu einem Katastrophenjahr für die Palästinenser wurde. Dabei habe alles so gut angefangen, man rechnete aufgrund des „Heiligen Jahres“ mit tausenden von Pilgern in Bethlehem und damit verbunden sei die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung und Frieden gewesen. Als Ariel Sharon dann mit seinem Marsch zum Felsendom die zweite Intifada provoziert habe, hätte es in Bethlehem statt vieler Gäste nur Panzer gegeben. Seitdem gäbe es praktisch keine Gäste mehr und viele seien seitdem ausgewandert. Besonders habe es sie geschmerzt, als ihr Sohn aus Boston schrieb, dass hier [in den USA] das „Gelobte Land sei: hier kann man durchschlafen“. Die israelischen Soldaten in den Panzern seien dabei so alt wie ihr Sohn gewesen: „Ein plötzlicher Wechsel vom Schuljungen zum Besatzer mit Kalaschnikow“.

Ihre Eltern wanderten 1956 nach Bonn aus und arbeiteten für eine deutsch/arabischen Zeitung. Obwohl im Laufe der Jahre einige Kontakte zu deutschen Nachbarn entstanden, sei Faten Mukarker, die zu dieser Zeit selber praktisch nur deutsch gesprochen habe, in einem arabischen Haushalt aufgewachsen. Morgens sei sie in der deutschen Schule gewesen, nachmittags in einer „arabischen Welt“. Mit 19 hätten ihr die Eltern gesagt, dass sie heiraten solle und innerhalb einer Woche sei sie in Beit Jala, der Heimat ihrer Eltern, die sie bis dahin nur aus kurzen Ferienbesuchen gekannt hatte, verheiratet gewesen. Seitdem lebt sie dort innerhalb einer Großfamilie, die das einzige soziale Netz dort bilde. Sie kenne niemanden dort, der in einem Ein-Personen-Haushalt lebe. Jeder bliebe sein Leben lang seiner Familie verbunden.

Sie seien Christen, dabei wäre die Konfession egal: bei 1,4% habe man andere Probleme. Mukarker berichtet von einem Gespräch mit ihrem Großvater, dass sie als Kind bei einem ihrer Besuche in Bethlehem geführt habe: „Wir lebten immer in Frieden mit den Juden hier, der Konflikt wurde von außen hereingetragen“. Der Konflikt sei durch die Idee des Zionismus entstanden, dieses hätte zu einem Alleinanspruch auf das Land geführt. Heute gäbe es in ihrer Heimat nur noch Krieg oder die Abwesenheit von Krieg. Frieden kenne von ihnen keiner mehr.

„Es gibt kein Heute ohne Gestern, wenn Du das Heute verstehen willst musst Du das Gestern kennen“ so der Großvater von Mukarker. Faten Mukarker zieht den Bogen von der Bibel, wo man beide Völker fände, über Theodor Herzl, der die Idee eines eigenen jüdischen Staates entwickelte und dessen Blick letztendlich nach Palästina wanderte. Es sei der Mythos entstanden „Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land“. „Hat man uns nicht gesehen?“ so Mukarker. Zuerst seien viele verfolgte Juden aus Russland gekommen, dann mit dem Nazi-Terror, seien viele Menschen in das zu dieser Zeit britische Palästina gekommen, die sich das wenige Jahre zuvor noch nicht hätten vorstellen können. Nach dem Krieg, als der Schrecken des Holocausts in vollem Umfang herausgekommen sei, hätte man in Europa und der westlichen Welt auch ein schlechtes Gewissen gegenüber den Juden gehabt.

Die UNO hatte am 29.11.1947 beschlossen, Palästina zu teilen, um die Basis für einen eigenen jüdischen Staat zu schaffen. Der Plan sah 56% des Gebietes für einen jüdischen Staat und 44% für einen palästinensischen Staat vor. „Was für einen Fehler, diesen Plan nicht anzunehmen“ resümiert Faten Mukarker.

Nach Ausrufen des Staates Israels am 14.05.1948 begann am nächsten Tag der erste Krieg der arabischen Nachbarstaaten. Danach seien 78% israelisch und nur noch 22% palästinensisch gewesen.

Mukarker berichtet, dass in der Folge 750.000 Palästinenser -2/3 der palästinensischen Bevölkerung- durch den Terror der sogenannten „Freiheitskämpfer“, zu denen auch später so prominente Politiker wie Menachem Begin und Yitzak Shamir gehört hätten, vertrieben worden wären. In den Flüchtlingslagern in Syrien, Libanon, im West-Jordanland und im Gaza-Streifen lebten sie und ihre Nachfahren seit Mai 1948 bis heute. Die meisten Palästinenser seien Bauern gewesen. Von Selbstversorgern seien sie zu Almosenempfängern geworden. Über 500 Dörfer seien zerstört worden, darüber habe man Wälder gebaut.

Im 6-Tage-Krieg 1967 seien dann der Sinai, das West-Jordan-Land mit dem Gaza-Streifen, sowie die Golanhöhen durch Israel erobert worden. Diese Gebiete seien bis heute „nur“ besetzt, da man ausgerechnet habe, dass ansonsten aufgrund der unterschiedlichen Geburtenrate Israel irgendwann nicht mehr mehrheitlich jüdisch wäre. Besetzung sei aber nicht menschlich, so Mukarker.

Die Unterzeichnung der Osloer Verträge vor fast genau 20 Jahren, seien Tage der Hoffnung gewesen. „Nach 5 Jahren hätte Arafat einen palästinensischen Staat ausrufen können“. Dann sei Rabin von radikalen Siedlern, die ihn zum „Verräter“ erklärt hatten, ermordet worden. Sein Nachfolger Netanjahu hätte sich nicht an den Vertrag gehalten und weiter Siedlungen gebaut. Mukarker berichtet weiter von illegalen Siedlungen, die den palästinensischen Grundbesitz mit dem Bezug auf die Bibel ignorierten.

Auch die Hoffnung, dass die Arbeiterpartei und Ehud Barak, der auf Netanjahu folgte, einen anderen Kurs verfolgen würde, habe sich zerschlagen: „Nach 1 ½ Jahren hatte sich die Zahl der Siedlungen verdoppelt“.

Letztlich habe das „Streichholz von Sharon“ -sein Marsch zum Felsendom- gereicht, um die sogenannte „Al Aqsa Intifada“ auszulösen. „Die Kämpfer flohen“ so Mukarker „und die Raketen kamen auf die arabische Bevölkerung“. Alle palästinensischen Verwaltungsgebäude, z.T. von der EU bezahlt, sowie der internationale Flughafen seien zerstört worden. Kinder malten seitdem nur noch Kriegsbilder und Beerdigungen. Das neue Spiel sei das Sammeln von Kanonenhülsen „made in USA“. „Thank you for your X-mas gifts“ lautete ein Transparent in Bethlehem.

Faten Mukarker berichtet danach von den checkpoints mit den Schikanen der Grenzsoldaten. Aber sie zeigt auch Bilder von jüdischen Frauen, die dagegen vor Ort protestierten und deren Organisation dafür mit dem „Aachener Karlspreis“ ausgezeichnet worden sei. „Es gibt auch ein anderes Israel, nicht nur Soldaten und Siedler“ sagt sie.

Der Alltag in Beit Jala sei schwierig. So gäbe es kein fließendes Wasser, sondern jedes Haus hat einen Wasserbehälter auf dem Dach, der teuer aufgefüllt werden müsse. Die „Nachbarn“ in den Siedlungen hätten hingegen grüne Rasen und einen Swimming Pool. Eine Untersuchung von amnesty international habe ergeben, dass die arabische Bevölkerung nur 20% des Wassers erhielten und dafür auch einen höheren Preis zahlen müsse. Auch das Bauen sei für die palästinensische Bevölkerung fast unmöglich. Häuser, die ohne Baugenehmigung errichtet worden seien, würden zerstört. „Baugenehmigungen bekommt man aber keine in der C-Zone [nach dem Osloer-Vertrag, die palästinensischen Gebiete/Enklaven, die weiterhin unter israelischer Verwaltung stehen]“ so Mukarker.

Eines Tages sei ein Kommando in ihren Garten gekommen und hätte begonnen einen Olivenbaum auszureißen. „Warum tut ihr das?“ hätte sie die Soldaten gefragt? Die sehr langsam wüchsigen Bäume, die alleine eine Generation brauchen um Früchte zu tragen, seien von ihren Urgroßeltern gepflanzt worden. Es sei der Beginn der Bauarbeiten für die Mauer gewesen, die heute den Ort von der Außenwelt abgrenzt. Diese Mauer sei nicht auf der Grenze zwischen den Siedlungen und dem palästinensischen Gebiet errichtet worden, sondern „tief in den Gärten der Palästinenser“. „Meine Cousine lebt in einem Haus, das von drei Seiten von der Mauer umgeben ist“. Die Mauer sei mit über 10 Metern so hoch, „dass man kippt, bevor der Hals so ist, dass man das Ende sieht“.

Faten Mukarker beendet ihren Bericht mit der Hoffnung, dass es diese Mauern nicht mehr gibt, wenn ihre Enkelin groß ist: „Nur wenn wir Hand in Hand gehen, wird es für uns eine Zukunft geben“.

Die folgende intensive und lange Diskussion zeigt, wie nahe der Bericht Mukarkers den Zuhörern gegangen ist. Sie wisse um die Besonderheit der Deutsch-Israelischen Beziehungen aber warum fügten wir dieser nicht eine Besonderheit hinzu, nicht über die Menschenrechte zu schweigen, sagt Faten Mukarker. Es müsse einen Unterschied zwischen „Antisemitismus“ und berechtigter Kritik geben. Es ginge nicht um „pro-israelisch“ und „pro-palästinensisch“, sondern richtig wäre „pro-Mensch“. Gerade unter Freunden müsste man sich auch sagen dürfen, was nicht in Ordnung ist. Ein israelischer Freund habe ihr einmal gesagt: „Wir verlieren vielleicht keinen Krieg aber unsere Moral!“.

Der Berichterstatter hat etwas Zeit gebraucht, aus seinen Notizen diesen Bericht zu verfassen. Es ist und bleibt für uns, die wir uns als Freunde Israels sehen, ein schwieriges Thema.

Dr. Peter Hühn

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