Bevölkerungsentwicklung verändert die Dörfer und Städte – Gute Ideen werden prämiert

(9. August 2008) "Auch der Oberbergische Kreis ist vom demographischen Wandel betroffen. Bis zum Jahre 2025 wird sich die Zahl der über 80-Jährigen verdoppeln, bis 2050 sogar verdreifachen", erläutert Reinhold Niewöhner, der Demographiebeauftragte des Oberbergischen Kreises. Diese Entwicklung wird sich auf alle Lebensbereiche auswirken.
Foto: Christian Melzer - Von links: Ingo Stockhausen, Thomas Knura, Werner Becker-Blonigen, Reinhold Niewöhner, Michael Hans und Uwe StranzFoto: Christian Melzer - Von links: Ingo Stockhausen, Thomas Knura, Werner Becker-Blonigen, Reinhold Niewöhner, Michael Hans und Uwe Stranz In einem Pressegespräch im Rahmen des Demographieforums Oberberg wurden die Folgen der Bevölkerungsentwicklung auf die Dörfer und Städte erörtert. „In den nächsten Jahrzehnten werden sich unsere Dörfer und Städte gravierend verändern“, prognostiziert Werner Becker-Blonigen. Der Bürgermeister der Stadt Wiehl ist Moderator des Handlungsfeldes „Planen, Bauen, Wohnen unter neuen Rahmenbedingungen“ im Demographieforum Oberberg.

"Die Menschen werden nicht nur älter, sondern auch ungebundener und flexibler," stellt Ingo Stockhausen, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Oberberg fest, "wenn die eigene Immobilie zur Last wird, dann wird sie verkauft und eine bessere, altersgemäße Alternative gewählt. Aber viele ältere Menschen denken erst dann über eine Stadtwohnung nach, wenn sie feststellen, dass es zunehmend schwierig wird im eigenen Haus selbständig zu leben, weil Wege zum Einkaufen und zum Arzt zu lang und Treppen zu beschwerlich werden. Und hier spüren verkaufswillige Hauseigentümer oft schon die Auswirkungen des demographischen Wandels - verkauft wird mit Verlust.

Abbildung zeigt eine DuschkabineAuf der anderen Seite könnte ein frühzeitiger Umbau des eigenen Heimes dazu beitragen, länger darin zu wohnen und damit auch den Wert der Immobilie zu steigern. Wer sein Haus "barrierefrei" umrüstet, der kann länger in seinem Heimatort bleiben und hält den Ort lebendig. "Ein barrierefreies Bad liegt mittlerweile im Trend", bestätigt auch Michael Hans, Installateur aus Wiehl, "immer mehr Menschen stellen fest, dass ein solches Badezimmer bequem und komfortabel für junge Familien und ältere Bewohner ist.

Einig sind sich alle: Attraktiv bleibt und wird eine Region einerseits durch die Arbeitsplätze, die sie bietet, andererseits aber auch durch alle Maßnahmen, die Wohn- und Lebensqualität in den Dörfern und Städten steigern. Dies können neue Wohnformen sein genauso wie Versorgungsstrukturen, Aktivitäten zur Dorfbelebung und alles, was Oberberg attraktiv macht.

Um solche Ideen und Projekte zu stärken und zu fördern – dafür hat die Volksbank Oberberg eG im Rahmen des Demographieforums des Oberbergischen Kreises den „Zukunftspreis Demographie“ ausgelobt. Geld- und Sachpreise im Wert von 25.000 Euro sollen ein Anreiz sein, aktiv die Veränderung zu gestalten. Vergeben werden die Preise in den vier Handlungsfeldern:

  • Planen, Bauen, Wohnen unter neuen Rahmenbedingungen
  • Wirtschaften in einer neuen Gesellschaft
  • Generationenübergreifendes Miteinander
  • Jugend im gesellschaftlichen Wandel
"Projektträger aus allen Bereichen können am Wettbewerb teilnehmen, so Uwe Stranz, Leiter der Kreis- und Regionalentwicklung und Vertreter des Demographieforums. Entscheidend ist, dass in Oberberg der demographische Wandel gestaltet und nicht nur hingenommen wird." Im Handlungsfeld "Planen, Bauen, Wohnen" könnten z. B. Wettbewerbsbeiträge über alternative Wohnkonzepte fürs Alter, Aktivitäten zur Dorfbelebung oder Bürgerschaftliches Engagement zur Erhaltung der Infrastruktur eingereicht werden.

Weitere Infos zum "Zukunftspreis Demographie" der Volksbank Oberberg finden Sie unter www.demographie-oberberg.de.

Statements

Werner Becker-Blonigen, Bürgermeister der Stadt Wiehl

Demographischer Wandel als planerische Herausforderungen für die Kommunen – worauf müssen sich die Bürgerinnen und Bürger einstellen?

Wir werden all unsere Planungen und Investitionen unter demographischen Vorzeichen überprüfen müssen. Schon jetzt wissen wir, dass weniger Menschen beispielsweise weniger Wasser benötigen und weniger Abwasser produzieren. Da werden wir für die Zukunft in vielen Bereichen ganz neue Abgabekonzepte erarbeiten müssen. Denn die Versorgungsstrukturen müssen von immer weniger Menschen bezahlt werden.

Kann es bei solchen Planungen auch zum Abbau kommen?

Wir wissen nicht genau, wie und wo der demographische Wandel besonders zu spüren sein wird. Die Kommunen müssen die Versorgungsstrukturen erhalten, um Lebensqualität am Wohnort zu erhalten. Aber die Strukturen können künftig komplett anders aussehen – auch ein Rückbau kann sich zugunsten alternativer und kostengünstigerer Strukturen vielleicht lohnen. Wir dürfen hier keine Möglichkeit außer Acht lassen.

Bereits heute steigt in vielen Städten und Dörfern der Leerstand von Wohnungen und Häusern. Unmerklich zwar, doch der Immobilienmarkt ist ein Anzeiger dafür. Wie kann kommunale Planung reagieren?

Zunächst einmal, in dem wir den Menschen sagen, dass viele Kalkulationen, die sich vor 20 Jahren noch rechneten, vielleicht nicht mehr zukunftsfähig sind. Im Planungsbereich müssen wir uns überlegen, welche Angebote wir der tendenziell schrumpfenden Bevölkerung machen und ob nicht auch bei uns einige heutige Wohnbereiche künftig nicht mehr genutzt werden und Platz für neue Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Das ist die politische Seite – Haus- und Wohnungsbesitzer müssen sich überlegen, ob Eigentum wirklich noch die Renditeerwartungen erfüllt. Nicht alles, was als Altersvorsorge eingeplant war, wird wirklich eine sein. Für uns ganz besonders wichtig ist aber, dass wir alle Aktivitäten in den Dörfern unterstützen, die Lebens- und Wohnqualität erhalten und steigern. Auch darum ist der Zukunftspreis Demographie als Anreiz so wichtig.

Ingo Stockhausen, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Oberberg eG

Der Wert der eigengenutzten Immobilie und damit auch die Einstellung des Eigentümers zu seinem Heim hat sich im Laufe der letzten Jahre stark verändert. Galt das eigene Haus oder auch die eigene Wohnung bis weit in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch als die sicherste, mit überdurchschnittlichen Wertsteigerungen behaftete Geldanlage und an die Nachkommen zu vererbendes Gut, so hat hier in den letzten Jahren ein Trendwechsel stattgefunden, dessen Ursachen nicht zuletzt in den Auswirkungen des demografischen Wandels auf unsere Gesellschaft zu suchen sind.

Der Mensch wird nicht nur immer älter sondern auch ungebundener und flexibler. Wenn die eigene Immobilie zur Last wird, dann wird sie abgestoßen und eine bessere, altersgemäße Alternative gewählt. Die Verwurzelung in der Region und die Bindung zum eigenen Heim weicht also dem Wunsch, noch einmal einen neuen Schritt zu tun. Die Konsequenzen spüren auch wir hier in unserer oberbergischen Region bereits hautnah: Postämter müssen schließen, Schulen werden zusammengelegt, der öffentliche Nahverkehr wird reduziert, Einkaufsläden und Arztpraxen „lohnen“ sich nicht mehr, zurückgehender Wasserverbrauch verteuert die Abwässerentsorgung - um nur einige Beispiel aufzuzeigen.

Staatliche Wohnungsbauförderungsmaßnahmen reichen schon lange nicht mehr aus, um den Veränderungswilligen in der Region zu halten oder um die Region für potenzielle Neubürger interessant zu machen. Wir als regionales Kreditinstitut müssen uns ebenfalls diesen Herausforderungen mit innovativen Angeboten stellen. Die Baufinanzierung alleine, so attraktiv sie auch gestaltet sein mag, reicht da nicht mehr aus. In Zusammenarbeit, z.B. mit unseren Verbundpartnern, aber vor allem in kooperativen Netzwerksystemen mit Bauunternehmern und Handwerksbetrieben hier vor Ort schnüren wir Lösungspakete, um das Wohnen im Alter in den eigenen vier Wänden attraktiver zu machen.

Barrierefreies Wohnen zum Beispiel, ob als Neu- oder Umbauprojekt, schafft Wohnqualität ohne Hilfe und Einschränkungen. Bereits einfache und auch kostengünstige Maßnahmen können dazu beitragen, den Wohnkomfort deutlich zu verbessern. Aber auch das Wohnumfeld muss den veränderten Gegebenheiten angepasst werden, und hier sind Kommunen, Handwerker, Dienstleister und Gewerbe gleichermaßen gefordert. Es gilt den Verlust der individuellen Mobilität bestmöglich auszugleichen um den Menschen in der eigenen Region die Möglichkeiten zu bieten, so lange wie möglich im vertrauten Wohnumfeld verbleiben zu können und selbständig zu sein. Als klassischer Finanzierer des Mittelstandes sehen wir uns zudem in der Pflicht, innovative Ideen und Technologien der kleinen und mittleren Unternehmen im Oberbergischen Kreis und deren Beitrag zur Arbeitsplatzbeschaffung in der Region zu begleiten.

Michael Hans, Installations- und Heizungsbau GmbH, Wiehl

Welchen besonderen Herausforderungen müssen sich Haus- oder Wohnungsbesitzer stellen, um ihr Eigentum „fit für die Zukunft“ zu machen?

Generell müssen wir uns heute mit zwei zentralen Themen beschäftigen. Dies ist einerseits der sparsame Umgang mit Energie und die Wahl der zukunftsfähigen Energieträger. Andererseits geht es darum, die Immobile für den demographischen Wandel zu rüsten.

Wie kann das funktionieren?

Das „barrierefreie Bad“, das ist ein mittlerweile sehr bekanntes Schlagwort. Solche Badkonzepte werden von uns fast ausschließlich installiert. Wir erkennen deutlich den Trend, dass die Menschen immer älter werden und barrierefrei Einrichtungen schätzen lernen. Allerdings ist es nicht nur das Bad – will man eine wirklich barrierefreie Immobilie gestalten, dann sind eventuell auch größere Umbauten notwendig, breitere Türen, eine neu konzipierte Küche zum Beispiel. Doch solche Investitionen, für die übrigens von der Kreisverwaltung Fördergelder bereitgestellt werden, sind eine echte Investition in die Zukunft. Die Immobilie bleibt auch dann verkaufbar, wenn andere schon lange leerstehen. Außerdem: Barrierefreiheit ist auch bequem für Familien – die Zielgruppe sind also wirklich nicht nur ältere Menschen.

Manch einer hat Angst vor einer Großbaustelle in der eigenen Wohnung.

So schlimm sind die Umbauten nicht. Es ist beispielsweise auf die rutschfesten Bodenbeläge zu achten, auf den Abbau von Stolperkanten, auf eine Abschaltautomatik für den Gasherd. Manchmal sind es schon kleine Dinge, die das Leben erleichtern. Sinnvoll wäre es, seiner Wohnung mal einen Demographie-Check zu gönnen. Wichtig ist ebenso, dass sich im Umfeld auch die notwendigen Service-Strukturen etablieren. Denn Straßefegen, Rasenmähen, Einkaufen – all das kann zur Last werden. Auch das muss gewährleistet sein.

Die Immobilienpreise fallen. Lohnt sich der Aufwand für den Umbau?

Es muss einiges investiert werden, um eine verwertbare Immobilie im Wert zu erhalten. Doch klar ist auch: Wer gar nichts tut, muss damit rechnen, dass die Immobilie fast wertlos wird.