Rede zur Einbringung des Haushaltplanes 2013 von Bürgermeister Werner Becker-Blonigen

(22. November 2012) Nachfolgend finden Sie die komplette Rede zur Haushaltseinbringung für das Jahr 2013, gehalten von Bürgermeister Werner Becker-Blonigen in der Ratssitzung am 6. November 2012.
Bürgermeister Werner Becker-BlonigenBürgermeister Werner Becker-Blonigen I. Vorbemerkung

Sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Wiehl,
meine Damen und Herren,

ich darf Ihnen heute den letzten Haushaltsplan, den Walter Ruland als Stadtkämmerer und Beigeordneter aufgestellt hat, präsentieren. Natürlich ist er ausgeglichen - zumindest in der vorgelegten Form - und sieht keinerlei Steuererhöhungen vor. Bei den Gebühren sind leichte Anhebungen nicht zu vermeiden, da der Kostendruck anhält. Wenn ich gerade den Haushaltsausgleich mit einem Vorbehalt versehen habe, geschieht dies wegen der möglicherweise nicht unerheblich höheren Umlage, die der Oberbergische Kreis nach Redaktionsschluss unseres Planentwurfes angekündigt hat. Für diesen Fall wird der Ausgleich zwar auch, dann allerdings nur fiktiv, d.h. durch Entnahme aus der Ausgleichsrücklage darstellbar sein.
Im Ergebnisplan umfasst unser Haushalt 54,4 Mio. €, einschließlich der Eigenbetriebe und Eigengesellschaften wird ein Volumen von 70 Mio. € und mehr bewegt. Dass wir strukturell den Haushaltsausgleich planen, weiter Schulden abbauen und dennoch investieren und gestalten, haben wir auch dem Team der Kämmerei zu verdanken. Sie haben mit großem Geschick dafür gesorgt, dass die verschiedenen Aspekte von Haushaltswirtschaft auch dieses Mal gebührend Berücksichtigung fanden. Es ist schön, dass der Haushalt 2013 noch einmal gut proportioniert geplant werden kann, denn die zukünftigen Bedingungen von kommunaler Haushaltswirtschaft sind erkennbar schwieriger. Durch Themen wie Haushaltskonsolidierung des Landes und des Bundes, inklusive dem Gebot der Schuldenbremse, der Vermeidung von Neuverschuldung, des Gemeindefinanzierungsgesetzes, sowie des Stärkungspaktes mit möglicherweise einer Abundanzumlage, eine Verlagerung der Steuerverteilungsmasse in die Großstädte, der Umlagelast von Landschaftsverband und Kreis, einer weiteren Lastenverschiebung auf die untere Ebene, nämlich die Gemeinden und zuletzt die schwer vorhersehbaren konjunkturellen Entwicklungen unserer gewerblichen Wirtschaft mit ihren mittlerweile deutlich erkennbaren globalen Wirtschafts- und Gesellschaftsbezügen wird uns das Leben sehr schwer gemacht.

Kein Zweifel, die Kommunen in Nordrhein-Westfalen befinden sich in einer Umklammerung von Aufgabenzuweisung, mangelhafter Finanzierung, bürokratischer Intensivbetreuung und erdrückender Umlagebelastung. Hierbei noch den Ansatz im voraussichtlichen GFG 2014 zur abschöpfenden Querfinanzierung in der kommunalen Familie von 190 Mio. € als Sanierungsbeitrag zu definieren, ist schon mutig.

Und zugleich verlangen alle Themen nach einer Antwort vor Ort, denn der Wettbewerb um Bürgerinnen und Bürger bleibt immerwährend. Um Jung und Alt, um Reich und Arm, eine Gemeinde muss attraktiv, gemischt, bunt, lebendig, zukunftsgerichtet und verlässlich sein. Zugleich aber fächert sich die Gesellschaft immer weiter auf, individualisiert sich und wird in unserer großen Region immer mobiler.

Es wird schwer, mit den statischen Werkzeugen einer kommunalen Infrastruktur hier zufriedenstellende Antworten für alle zu finden. Es ist so, als wolle man mit dem Prinzip des Menüs die Kundenwünsche, die sich „à la carte“ äußern, bedienen.
Kommunikation und Teilhabe werden wieder nötiger sein, einen höheren Stellenwert in der kommunalen Arbeit erlangen, um emotionale Bindung an die Gemeinde als Verantwortungsgemeinschaft zu erhalten. Rat und Verwaltung stehen daher mitten in einem Veränderungsprozess, der auch oder gerade eine kleine Kommune wie Wiehl in der Mitte der Oberbergischen Region erfasst.
Wenn man hinzu denkt, dass der demografisch gesehene Bevölkerungsaufbau dem Maßstab 20/40/40 zustrebt (20% der Menschen sind jünger als 20 Jahre, 40% der Menschen älter als 60 Jahre und die restlichen 40% sind die Lastesel in der Mitte) und gleichzeitig die Labilität unserer Bevölkerungsstruktur bedenkt, die sich in einem Schema 50/25/25 ausdrücken lässt (50% sind sesshafte Stammbürger, 25% leben einen Teilabschnitt ihres Lebens in Wiehl und 25% leben nur kurze Abschnitte in unserer Stadt), was sich auch in den monatlichen An- und Abmeldungen von gut 100 Bürgerinnen und Bürgern ausdrückt, dann weiß man, wie schwierig es werden wird, die kommunikative Vernetzung in unserer Kommune mit dem Ziel strukturellen Wandelns und dessen Akzeptanz zu verbinden.

II.
Lassen Sie mich zunächst auf unsere Haushaltsdaten zu sprechen kommen, die ich heute nur in einer Grobskizze erläutern möchte. Der erläuternde Vorbericht und die Detailerläuterungen zu den einzelnen Produktgruppen und Produkten sind mittlerweile so ausführlich, dass jedem Interessierten die vertiefende Lektüre nicht allzu schwer fallen sollte.

Die Einnahmeansätze des Haushaltsplanentwurfes 2013 sind schwerpunktmäßig wie folgt zu betrachten:
  • Gewerbesteuer: 24,2 Mio. €
  • Grundsteuer B: 3,85 Mio. €
  • Einkommenssteueranteil: 10,8 Mio. €
  • Mehrwertsteueranteil: 2,1 Mio. €
  • Kompensation für Familienlastenausgleich: 1,1 Mio. €
  • Konzessionsabgaben: 1,2 Mio. €
Gewinnbeteiligungen, Gebühreneinnahmen und sonstige Erlöse sind bei den Eigenbetrieben, den Eigengesellschaften oder bei den kostenrechnenden Einrichtungen zu ersehen.

Bei den Ausgabestrukturen sei unter dem reinen Gedanken der Aufwendungen, ohne Erträge und Erstattungen, nur der Blick auf folgende Zahlen erlaubt:
  • Schulen: 5,9 Mio. €
  • Sport: 1,2 Mio. €
  • Kultur: 0,9 Mio. €
  • Jugend: 10,5 Mio. €
  • Soziales: 0,9 Mio. €
An Umlagen zahlen wir:
  • an Gewerbesteuerumlage: 4 Mio. €
  • an Kreisumlage: 17 Mio. €
Unsere Personalaufwände, ohne Pensionsrückstellungen, belaufen sich auf:
  • 9,3. Mio. €
Die investiven Schwerpunkte für das Jahr 2013 und die Folgejahre sind:
  • 4,4 Mio. € zur Umsetzung des Handlungskonzeptes Bielstein
  • 1,7 Mio. € werden durch Straßenausbaumaßnahmen in Bielstein und Drabenderhöhe sowie an der Brücke in Weiershagen in Anspruch genommen,
  • 2,2 Mio. € wird der Netzschluss am Bahnhof in Wiehl sowie der zentrale Omnibusbahnhof mit Park&Ride-Möglichkeiten erfordern,
  • 1 Mio. € wird für den Bau eines neuen Kindergartens veranschlagt,
  • 9 – 10 Mio. € erfordert der Bau eines Hallenbades in Wiehl und der Umbau des Hallenbades Bielstein zur Mehrzweckhalle in Summe ohne Mehrwertsteuer.
Zahlreiche investive Maßnahmen werden über Landeszuschüsse und Beiträge Dritter refinanziert. Im Detail ist der Nettofinanzierungsaufwand daher geringer als die Investitionssumme.

Bei der Kreisumlage ist noch „Bewegung im Spiel“. Es bleibt zu hoffen, dass der Oberbergische Kreis den Nachbarn im Rheinisch-Bergischen Kreis folgt und „Milde walten lässt“.
Besonders zu erwähnen ist, dass wir den Haushaltsansatz zur Übernahme von Gesellschaftsanteilen der RheinEnergie an der AggerEnergie gebildet haben, um im Rahmen der Verhandlungen über die Einbringung der Wasserversorgung noch zusätzlichen Spielraum für die Stärkung der Position der Stadt Wiehl zu erhalten.

III.
Aus diesen Daten und den Vorbemerkungen möchte ich drei strukturelle Schwerpunkte herausfiltern. Sie umfassen den Bereich „Wohnen und Leben“, „Arbeiten und Einkommen“ sowie die „Statik eines kommunalen Selbstverwaltungsgebildes namens Gemeinde“.

1.
Einwohner unserer Stadt zu sein bedeutet hier seine vier Wände zu haben, in denen man sein Zuhause einrichten kann. Die Wohnkosten in Wiehl sind im regionalen Vergleich moderat, die Mieten nicht immer. Aber das hängt stark von der Nachfrage ab und diese drückt sich durch Einwohnerzuzüge aus. Bislang haben Einwohnerzuzüge unseren negativen Geburten-/Sterbesaldo kompensiert. Im letzten Jahr hat Wiehl zahlenmäßig einen einzigen Einwohner verloren. Der positive Wanderungssaldo hat die demografisch unabweisbare Schrumpfung im Kinder- und Jugendbereich kompensiert. Ob es uns gelingt, den Einwohnerrückgang in der Region in Wiehl milder ausfallen zu lassen, hängt von verschiedensten Faktoren ab. Nicht allen kann eine Gemeinde Genüge tun. Geschmack und emotionaler Impuls ist nicht ohne weiteres produzierbar. Hier gilt oftmals die Volksweisheit „Wat den een sien Uhl, is den annern sien Nachtigal“.
Will man halbwegs erfolgreich sein, gilt es, möglichst viele individuelle Lebensentwürfe zu erfahren und zu berücksichtigen. Vom Einfamilienhaus über das ortskernnahe Appartement oder das gewünschte Baugrundstück, alles wird nachgefragt. In einem jedoch sollte man sich auch bei uns keinen Illusionen hingeben. Nicht alle können alles bezahlen. Preiswerter Wohnraum, in welcher Form auch immer, bleibt ein Thema für junge Leute, junge Paare, junge Familien, aber auch ältere Menschen mit schwächerer Einkommensstruktur. Die Stadt Wiehl kann nicht nur „Blankenese“ sein, es gehört auch ein wenig „Harburg, Altona und Bergedorf“ dazu.
Nun mag manch einer meinen, die Wohnortwahl sei auch von anderen „weichen Faktoren“, wie Kulturleben, sozialer Betreuung, schulischer Ausbildung, gesundheitlicher Versorgung, Einkaufsmöglichkeiten und lebendigem Vereinsleben abhängig. Natürlich stimmt das alles und letztendlich ist das „Entscheidungs-Potpourri“ eine Mischung aus allem. Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass Menschen andere Menschen willkommen heißen können oder abweisen. Letzteres spielt sicherlich eine wichtige Rolle. Aber unterschätzen wir nicht die materielle Seite jeder Wohnortentscheidung, denn vieles an weichen Standortfaktoren ist in unserer Region vergleichbar, mithin nicht allein entscheidend.
Um aber das Wohnumfeld positiv gestalten zu können, bedarf es städtebaulicher Akzente, sympathieauslösender Elemente des Verkehrsbaus und eines Kompromisses für Fußgänger, Autofahrer, Fahrradfahrer, Rollatorfahrer, Kinderwagenfahrer und Anwohner.
Mit dem IHK Bielstein haben wir den Anfang gemacht, um Ortskerngestaltung der Zukunft, Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger, Sanierung von baulichen Beständen und kulturell-stadthistorische Akzente in Einklang zu bringen. Im Hauptort Wiehl wird dies erheblich schwieriger werden. Es gilt einige Zusatzkomponenten zu berücksichtigen, viele Interessen zu erfahren, abzuwägen und schlussendlich zu einem tragbaren Ganzen zu komponieren. Dass sich dabei ständige Veränderungen und Akzentverschiebungen im Hauptort ergeben und der Wunsch nach struktureller Umgruppierung mit investiven Folgen artikuliert wird, sollten wir als Kompliment aufnehmen. Hier gilt ganz besonders, dass es schwerfällt in einem sich entwickelnden, verlagernden und von zahlreichen Interessen geleiteten Prozess mit den statischen Mitteln des Planungs- und des Baurechts oftmals nur unzulänglich gestaltende Teilhabe zum Ausdruck bringen zu können.
Dessen ungeachtet muss die Stadt Wiehl ihre soziale Infrastruktur, wie Kindertagesstätten, Schulen, Sportstätten und das Bäderwesen weiterentwickeln und dabei die demografischen Anforderungskriterien nicht aus den Augen verlieren. Dies alles bildet sich in dem Haushaltentwurf 2013 und der mittelfristigen Investitionsplanung ab.

2.
Allzu leicht in Vergessenheit gerät allerdings, dass wir ein wichtiger, aber doch nur ein Teil unserer Region sind. Wir haben in unseren Arbeitsmarktstrukturen und den gewerblichen Entwicklungen nach kurzer Pause durch die Rezession des Jahres 2009 wieder Tritt gefasst. Unsere Unternehmen in der Stadt investieren und entwickeln ihren Standort zügig weiter. Etwa ein Dutzend Unternehmen sind zurzeit in der baulichen Erweiterung. Für die „kleine Arbeitsmarktregion“ Wiehl wäre mir erst einmal nicht bange. Unser Ziel, den 10.000sten Beschäftigten im kommenden Jahr begrüßen zu können, sehe ich als realistisch an.
Standortsicherung für unsere Unternehmen wird in Zukunft überwiegend unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung am und im Standort betrachtet werden müssen. Möglicherweise kann durch Flächentausch noch eine gewerbliche Arrondierung an der einen oder anderen Stelle in Frage kommen. Ebenso wichtig werden die Bemühungen zur Reaktivierung ausgedienter gewerblicher Immobilien werden. Ihre Um- oder Folgenutzung bedarf möglicherweise unterstützender Maßnahmen.
Deutlich wichtiger werden allerdings die demografisch bedingten Anstrengungen zur Vernetzung von Schule und Beruf. Ausbildungsmessen, Praktika, Kooperationen und Partnerschaften zwischen Schulen und Firmen, letztlich auch unsere Zukunftsstiftung zeigen den Weg engen Zusammenschlusses zum Überleben unserer Region an. Allzu leicht geriet in Vergessenheit, dass ökonomische Strukturen auch vom Bevölkerungsumfeld mitgestaltet werden und gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge, die vermeintlich selbstverständlich waren, mit neuem Geist erfüllt werden müssen. Vergessen wir aber nicht, dass etwa 2/3 aller versicherungspflichtig tätigenden Wiehler nicht in Wiehl arbeiten, sondern auspendeln. Im Gegenzuge pendeln entsprechende Zahlen von Menschen aus der Region in unsere Stadt ein. Dieses tägliche Wechselspiel von Wohn- und Arbeitsort, von beruflicher Aufgabenwahrnehmung und sozialem und gesellschaftlichem Umfeld schafft bei den Bürgerinnen und Bürgern eine gewisse Flexibilität, eine vergleichende Betrachtung und für uns einen Wettbewerbsdruck, der uns veranlassen sollte, möglichst optimale Bedingungen für den „Wohnbürger“, den „Arbeitsbürger“ und die Gewerbebetriebe zu schaffen.
So widersinnig es klingen mag, die gestiegenen Mobilitätskosten führen nicht zu Immobilität. Die lokale Zuordnung hindert nicht an der Wahrnehmung regionaler Angebote und Strukturen. Die Menschen leben „à la carte“, die Firmen ebenso. An uns als Kommune steigen damit die Anforderungen, denen wir aber durch eine „Willkommenskultur“ und die Wahrnehmung von Mobilität als Chance für den Lebens- und Arbeitsstandort Wiehl begegnen sollten.

3.
Um allen diesen Aspekten, die hier nur kurz skizziert werden können, teilweise nicht weiter erwähnt werden können, Genüge zu tun, bedarf es einer gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Statik, die den Zukunftsanforderungen standhält.
Wichtig bleibt, dort zu handeln, wo Handlungsmöglichkeiten bestehen, lokale Verantwortung wahrzunehmen in vollem Bewusstsein der regionalen Vernetzung und insbesondere eine Kommunalverwaltung zu haben, die aufgrund ihrer personellen Ausstattung in der Lage ist, den notwendigen Kommunikationsstrukturen und den kommunalen Koordinationsaufgaben gerecht zu werden. In der Vergangenheit ist dies gelungen und für die Zukunft sollte es möglich sein, gerade auch mit dem bevorstehenden Generationswechsel unweigerliche Verjüngungsprozesse für neue Impulse zu nutzen.
Kommunale Statik bedeutet, dass alle unsere Institutionen, seien sie gesellschaftlicher oder ökonomischer Art, ihren Beitrag zur Gestaltung der sich verändernden Gesellschaft erbringen. Dies gilt für unsere Beteiligungsunternehmen, unsere Eigengesellschaften genauso wie für die kommunale Sparkasse und die genossenschaftliche Volksbank. Es gilt genauso für unsere schulische Infrastruktur, die sich in großen Schritten einer veränderten Gesellschaft stellen muss, um zukünftigen Generation Berufs- und Lebenschancen zu vermitteln und unsere eigene oberbergische ökonomische Struktur zu erhalten, wie auch für die Gesundheitsversorgung durch niedergelassene Ärzte und Kliniken.
Unsere kommunale Statik besteht auch aus einem intakten Zusammenspiel zwischen den Generationen. Dieses, da machen wir uns nichts vor, ist brüchig geworden. Wir werden den Mut haben müssen, die Aufgaben zwischen den Generationen noch einmal zu definieren und den Versuch unternehmen, den sozialen Zusammenhang zu erhalten oder wieder herzustellen.
Unsere Selbstorganisationskräfte in den örtlichen Gemeinschaften und vor allem in unseren Vereinen sind noch stark genug, den gesellschaftlichen Kitt für den sozialen Zusammenhalt zu bilden. Wir müssen sie nur fördern und überall, wo wir Möglichkeiten haben, gegen die administrative, verrechtlichte, erstickende Reglementierung schützen.
Kommunale Statik bedeutet „wir alle zusammen“ und die Frage wird erlaubt sein, wie viele Lebensbereiche wir davon erfassen lassen wollen und wo wir uns unseren individuellen Frieden ausbedingen. Jedenfalls wird nicht alles materiell zu definieren sein, aber dann müssen wir es ein bisschen einfacher und ein bisschen solidarischer und ein bisschen verlässlicher gestalten.
Kommunale Statik bedeutet aber auch Handlungsfähigkeit der Kommune, materiell, personell, ideell. In Wiehl ist für das Meiste noch gesorgt und die in fast fünf Jahrzehnten geschaffene Basis ökonomischer Wertschöpfung macht vieles möglich. Es liegt jetzt an denen, die sich die Verantwortung zutrauen, hieraus was zu machen.

4.
Bei einem Blick in die Zukunft geraten viele Träume, viele Wünsche und viele Visionen ins Blickfeld.
Vorausgesetzt, es gibt keinen Weltuntergang oder ein vergleichbares schlimmes Ereignis, müsste es der Stadt Wiehl gelingen,
  • möglichst vielen Menschen, die in ihrer Stadt wohnen, auch eine berufliche Perspektive zu eröffnen,
  • möglichst vielen Menschen, die hier eine Ausbildung erfahren haben, später die Rückkehr mit dem Ziel der beruflichen und der sozialen Integration zu ermöglichen,
  • in einer Wiehler Bildungsinitiative gemeinsam mit Lehrern, Eltern, Schulträger und gewerblicher Wirtschaft ein neues integriertes Schulwesen zu installieren, das der zu gründenden Sekundarschule im Kontext aller Schulen der Stadt Wiehl zum Erfolg verhilft,
  • dass wir in absehbarer Zeit ein funktionsfähiges Hallenbad für Schule, Vereine und allgemeine Bürgerschaft in Kombination mit Eishalle und Freibadgeschehen errichten können,
  • dass wir unsere Sportstätten weiter modernisieren, ertüchtigen und die dort aktiven Vereine zu einem Klebstoff gesellschaftlichen Zusammenhalts werden lassen,
  • dass unsere örtlichen Gemeinschaften durch kommunale Förderung und aktive Bürgermitwirkung zu einem liebenswürdigen Zusammenleben in unseren 51 Dörfern beitragen,
  • dass der Haushalt der Stadt Wiehl nicht durch Umlagen, Abschöpfungen und Regulierungen zum Torso degradiert wird, der die örtliche Handlungsfähigkeit erstickt,
  • und dass durch Schaffung von vielen Voraussetzungen die Bevölkerung in unserer Stadt nicht mehr schrumpft, sondern durch Zuzüge unterschiedlichster Menschen einen Impuls, eine Auffrischung und eine Lebendigkeit erfahren möge.
Ob all das realisiert werden kann, wird sich an den Realitäten erweisen. Auch an Recht und Gesetz, an den harten Fakten, an den passenden oder unpassenden Emotionen und an den sich entwickelnden Strukturen.
Wir werden sehen, was aus unseren Stiftungen wird, was aus unseren Partnerschaftsvereinen und zahlreichen Initiativen zur Völkerfreundschaft wird.
Wir werden sehen, ob es gelingt, ehrenamtlich oder nebenamtlich unsere rüstige Rentnergeneration in das soziale Gemeinschaftsleben einzubeziehen und sie mit ihrem Erfahrungswissen zur gewinnbringenden Mitwirkung zu animieren.
Wir werden sehen, ob der Rückgang der Geburten seine langfristige Fortsetzung erfährt und damit die demografische Vorausschau für die oberbergische Region eintritt oder ob es gelingt jüngere Menschen mit Hilfe der beruflichen Perspektive zum Aufbau familiärer Strukturen in unserer Region, vor allem in unserer Stadt, zu ermuntern.
Wir werden sehen, ob es uns gelingt, die gesellschaftlichen Verwerfungen in vielen individuellen Lebensbereichen mit Hilfe unserer sozialen und jugendpflegerischen Strukturen zu reparieren oder zu mildern, um die gesellschaftliche Statik unserer kleinen Wiehler Welt zu erhalten.
Und letztlich werden wir sehen, ob der uns gegebene rechtliche Rahmen und der vom Land Nordrhein-Westfalen geprägte finanzpolitische Spielraum ausreicht, um unsere Träume und Ziele zu realisieren.

5.
Lassen Sie mich schließen mit dem Dank an den Rat für seine Kooperative und auch seine kritische Begleitung. Dabei betone ich, dass kritische und hinterfragende Ansätze in einem guten Spannungsfeld der Argumentation von der Verwaltung besonders dann gerne angenommen werden, wenn es darum geht, Entscheidungen für unsere Bürgerschaft und Gemeinde zu optimieren und Betriebsblindheit zu vermeiden.
Ganz besonders möchte ich mich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre unzögerliche Loyalität bedanken, dies gilt insbesondere für die Zeit nach dem tragischen Tod unseres lieben Kollegen Thomas Gaisbauer, der uns immer noch unwirklich erscheint. So hatten sich die meisten bei uns im Hause die Dinge weder vorgestellt, noch erwartet. Umso mehr wollen wir Thomas Gaisbauer über alle Arbeit nicht vergessen.

Liebe Ratsmitglieder, meine Damen und Herren, für heute möchte ich meine Ausführungen beenden und Ihnen den Haushaltsplan für das Jahr 2013 zur Beratung übergeben. Wenn Sie bei dessen Lektüre zu dem Schluss kommen sollten, dass wir uns im Land der Illusionen bewegen, dann möchte ich Ihnen mit einem Zitat zur Hilfe eilen, das der Querdenker-Club verbreitete:

„Alle sagten: ‚Das geht nicht.‘ Da kam einer, der das nicht wusste und tat es.“

Aber vergessen wir nicht, dass das Gras nicht schneller wächst, wenn man dran zieht. Überdehnen wir nicht die Möglichkeiten eines 25.000 Einwohner-Städtchens.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Beratung und uns den Mut, Dinge anzugehen, die unmöglich erscheinen.