Das Ehrenamt in Wiehl

(11. September 2015) Die wesentlichste Herausforderung für das Ehrenamt wird in den kommenden Jahren der demografische Wandel sein. Vor allem durch den raschen Alterungsprozess der Gesellschaft und die Abnahme der Geburtenraten, deren Folgen in kleineren Kommunen wesentlich stärker zu spüren sind als in den Großstädten, ist es unbedingt erforderlich, das Ehrenamt zu stärken.
Hierbei ist es wichtig zu wissen, dass sich die ehrenamtliche Tätigkeit in der Grundstruktur ebenso verändert hat wie die Bevölkerungszusammensetzung. Wenn früher das Ehrenamt mehr zum demokratischen Verständnis geführt hat, so dient es in vielen Kommunen heute mehr als unverzichtbare Strategie zur Aufrechterhaltung der sozialen Strukturen. Der ehemalige MdB M. Bürsch spricht in diesem Zusammenhang von „einer Politik von unten“. In Verbindung mit der demografischen Entwicklung hat sich diese Deutung jedoch geändert. Das Ehrenamt wurde nun mit der Frage behaftet, welche Aufgabe es im Zusammenhang mit den Auswirkungen des demografischen Wandels besitzt.

Geprägt von den Altersgruppen der Gesellschaft, die auch die ehrenamtliche Arbeit beeinflussen, ist es nun unabdingbar zu klären, welche Altersgruppen unter welchen Bedingungen künftig für ehrenamtliche Arbeit zur Verfügung stehen, und zwar in den Gruppen Kinder, Jugendliche, Erwachsene im Erwerbsalter und Senioren.

Verschiedene Untersuchungen in den letzten Jahren haben ergeben, dass die Engagementquote der 30- bis 59-Jährigen im Jahre 2004 (Freiwilligensurvey) mit 39 % am höchsten war. Auch das gesellschaftliche Interesse der 12- bis 25-Jährigen ist nach der 16. Shell Jugendstudie mit 49 % im Jahre 2010 sehr hoch. Ab einem Alter von 70 Jahren nimmt diese Quote sehr stark ab. 70-Jährige besitzen nur noch eine Quote von 28 % und bei den über 80-Jährigen ist noch ein Engagement von 14 % zu verzeichnen.

Bei den Jugendlichen fällt auf, dass das Engagement für ein Ehrenamt bildungs- und schichtabhängig ist. 43 % der 12- bis 25-Jährigen mit Abitur oder FH-Reife haben Interesse am gesellschaftlichen Engagement, aber nur 31 % mit Hauptschulabschluss. Da die Anzahl der Jugendlichen in den nächsten Jahren auch in Wiehl sehr stark abnimmt, sind es die über 60-Jährigen, die nicht mehr voll beruflich eingebunden sind, aber noch sehr leistungsfähig und einsatzbereit sind. Deren Anzahl wird in den nächsten Jahren stetig ansteigen und in 2030 über die Hälfte der Bevölkerung ausmachen (in Wiehl rd. 57 %).

Nun kann man das eine bemängeln und das andere begrüßen. Klar wird immer wieder, dass sich die Menschen überwiegend engagieren wollen, trotzdem die Bereitschaft, ehrenamtlich tätig zu sein, schwindet. Das Ehrenamt muss professionalisiert und die Kommunen müssen hierbei unterstützt werden. Das Ehrenamt darf nicht mehr nur als Pflicht oder Last gesehen, sondern als Chance innerhalb der gesamten demografischen Entwicklung betrachtet werden. Außerdem ist es wichtig, Projekte zu finden, die zum einen zielorientiert sind und zum anderen Jung und Alt zusammenführen. Institutionen müssen hierbei insbesondere die Fragen beantworten:
  • Was erwarten wir vom Ehrenamt?
  • Welche Aufgabenbereiche gibt es?
  • Was kann ein Ehrenamtler leisten?
  • Wie können die Talente eines ehrenamtlich Tätigen im Sinne des Gemeinwohls eingesetzt werden?
  • Welchen Versicherungsschutz genießt ein Ehrenamtler?
  • Gibt es eine Koordinierungsstelle für das Ehrenamt?
Gemeinnützige und Sportvereine haben mit den demografischen Folgen zu kämpfen, da hier insbesondere das bürgerschaftliche Engagement zu finden ist. Viele als gemeinnützig eingetragene Vereine haben heute zunehmend Schwierigkeiten, ihre ehrenamtlichen Vorstandsämter zu besetzen. Aber auch die Mitgliederzahlen werden weniger. Die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) schreibt in Ihrer Ausgabe vom 29.04.2011, dass der demografische Wandel z.B. in den Sportvereinen deutlich zu spüren sei. Nachwuchsmangel und Mitgliederalterung werden in nächster Zeit in den Vereinen immer offenbarer.

Aber auch im Bereich des sozialen Engagements und bei den Freiwilligendiensten sind die Auswirkungen des demografischen Wandels deutlich. Heute muss festgestellt werden, dass die Gesellschaft ohne ehrenamtliche Tätigkeiten nicht mehr auskommt. Deshalb benötigt das Ehrenamt eine Stärkung, es muss begleitet, wertgeschätzt und anerkannt werden. Vor allem muss es klar strukturiert sein.

Im Rahmen des Wiehler BürgerForums sind drei Handlungsfelder unter dem Thema „Ehrenamt“ artikuliert worden, die Zug um Zug mit Unterstützung von Bürgerpaten behandelt werden. Bei der Umsetzung von möglichen Projekten wird sicherlich die Stadt behilflich sein, doch ist hier mehr gefragt als nur eine verwaltungsmäßige Hilfe.

Die Ehrenamtsinitiative „Weitblick“ des Oberbergischen Kreises bietet hierzu ihre Dienste an. Sie umfasst kreisweit ein Netz von Standortlotsen, die ehrenamtlich tätig sind, in den einzelnen Kommunen. Auch für Wiehl werden noch Personen gesucht, die sich in einem Standort-Büro als ehrenamtliche Ansprechpartner, Vermittler oder Projektinitiatoren zur Verfügung stellen. Sie werden dann vom Weitblickbüro beim Oberbergischen Kreis geschult und können dort Weiterbildungen wahrnehmen.

Zum Repertoire gehören Sozialführerscheine für Schülerinnen und Schüler sowie Repair-Cafés, Seniorensicherheitsberatungen, Betreuung von Flüchtlingen oder die Einrichtung von Treffpunkten.

Am 31. August 2015 hatte der Bürgermeister das Weitblick-Büro ins Rathaus eingeladen. Die Leiterin des Büros Frau Sylvia Asmussen stellte gemeinsam mit zwei Standort-Patinnen aus Hückeswagen die Dienste vor und warb um die Besetzung eines Standort-Büros in Wiehl. Bis heute haben sich schon zwei Interessentinnen gemeldet (07.09.2015-dr).