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SEITE 7BERICHTE / HUMOR


29. Deutscher Evangelischer Kirchentag in Frankfurt 2001.

"Du stellst meine Füße auf weiten Raum"
31. Psalm

Körperlich schachmatt - aber seelisch aufgetankt

Wir, das sind zwei Frauen aus Wiehl. Anfang März geht es los. Der Evangelische Kirchenkreis an der Agger nimmt unsere Anmeldung und unser Geld in Empfang und kümmert sich für uns um ein Quartier, sprich Schule oder evtl. Turnhalle. Das heißt Luftmatratze und Schlafsack, Schnarcher und Spätheimkehrer, Toilette über lange Flure und vielleicht auch noch ein Stockwerk tiefer oder zwei höher, Duschen in der zur Schule gehörenden Turnhalle, frühes Aufstehen, Frühstück im Gemeindehaus mit Tasse, Brettchen und Besteck im Bäcker-Kraus-Leinenbeutel. Das alles gehört zum Kirchentag wie volle U-Bahnen mit Gesang und Posaunenmusik, die Suche nach den Veranstaltungen, volle, ja überfüllte Hallen, viel Begegnungen....
vielleicht sogar unerwartete Bekannte treffen - auch das kann Kirchentag sein.

Im Mai nehmen wir die Unterlagen in Empfang. Das Angebot ist riesig. 2500 Veranstaltungen stehen auf dem Programm, als da sind: Gottesdienste, Vorträge, Bibelarbeiten, da gibt es den Markt der Möglichkeiten, die Halle der Schöpfung und der Stille, Pilgerwege, es gibt Konzerte von Jazz bis HipHop, von Klassik bis Gospel, ein Fest für jede und jeden und so vieles mehr - all das ist Kirchentag. Und reich ist das Angebot an Kunst und Kultur.

Nach 1956, 1975 und 1987 ist Frankfurt bereits zum vierten Mal Gastgeber - eine Stadt im Ausnahmezustand. Wir stehen auf dem Römerberg, Frankfurts "gut Stubb". Was uns fasziniert ist das Nebeneinander. Das liebevoll nach dem Krieg "wieder Aufgebaute" und "das Hochhinaus" in Glas und Beton. Das ist unsere Zeit: Geld, Globalisierung, Banken und Börse. Die Börse gehört zu Frankfurt wie das Amen zur Kirche. Und über allem das Motto des Kirchentages "Du stellst meine Füße auf weiten Raum". Von mehreren Bankgebäuden blicken zwölfmeterhohe, silbergraue, segnende Christusfiguren . Was soll sie signalisieren? Oben auf den Dächern ist das Geld, unten ist die Armut?
Der Eröffnungsabend ist immer ein riesig rauschendes Fest, diesmal mit 250.000 Besuchern. Wir verbringen den Abend in der Festhalle bei den Sängern und Bläsern. Insgesamt 4000 Blechbläser aus ganz Deutschland prägen die Stimmung in der Stadt.

Am nächsten Tag wollen wir uns mit dem Judentum beschäftigen. Wir schließen uns der Stadtführung "Jüdisches Leben in Frankfurt am Main" an, durchwandern mit vielen anderen Kirchentagsbesuchern den Stadtteil Frankfurts, in dem das jüdische Ghetto war. Heute prägen Neubauten, Wohnhäuser, Gaststätten die Gegend, das Bild einer ruhigen Wohnlage. Garagen am Platz der Betstube, ein Parkplatz, wo der Betsaal war. Der Weg endet am historischen Judenmarkt. Hier wurde gearbeitet und gebetet, wurden Kranke gepflegt und Kinder unterrichtet, hier auf dem Friedhof beerdigte man die Toten.
Um das Vorangegangene zu vertiefen, besuchen wir das Jüdische Museum und sitzen nachmittags in einem Hörsaal der Uni, um uns den Film "Herr Zwilling und Frau Zuckermann" anzusehen. Im Hörsaal ist es schön kühl, der Film sehr langatmig und die angenehme Kühle und Dunkelheit des Raumes schenkt uns eine halbe Stunde Mittagsschlaf.

Für Freitag haben wir uns etwas besonders Schönes ausgesucht. In der Emmauskirche in Alt Eschersheim, einer zauberhaften kleinen Kirche, sehen wir das Schauspiel "die Lutherin", das Leben und Wirken der Katharina von Bora, angelehnt an Christine Brückners "Bist du sicher, Martinus? Die Theaterspielerin Elisabeth Förster erzählt und spielt das Leben seiner "Käthe", wie Luther sie wohl nannte - wir sind begeistert.

BERICHTE / HUMORSEITE 8


Am Samstag stürzen wir uns in das bunte und lebendige Geschehen auf dem Markt der Möglichkeiten. Hier reihen sich über 700 Gruppen und Initiativen Stand an Stand auf drei Etagen. Sie laden Besucher zu Diskussionen, Gesprächen und zu spontanen Aktionen ein. Es gibt so viel zu sehen, dass einem ganz schwindlig wird.
Es ist Mittagszeit. Wir sitzen im Messegelände , verschnaufen ein wenig und schauen uns das Publikum an. Woran erkennt man den typischen Kirchentagsbesucher? Sind es die weißen Schals mit dem Aufdruck "Die Würde des Menschen ist unantastbar - Kirchentag gegen Gewalt", Ja, es sind die weißen Schals und die lila Kirchentagsbänder, es ist der obligatorische Rucksack eines jeden Kirchentagsbesuchers - aber auch an ihren Schuhen sollt ihr sie erkennen! Da gibt es den wenig eitlen mit kurzer Lederhose, Fahrtenhemd und Halstuch, die trendbewussten "Girlies" mit schicker Sandale und dem Mini-Teddy am Rucksack, wir sehen den so ordentlichen Besucher mit festen Lederhalbschuhen, die "ökonomisch Engagierte", die keine Bibelarbeit auslässt, in demütigen "Jesuslatschen" und da sind die Jüngsten unter uns, die in kindgerechten Klamotten auf Kickboards über das Gelände flitzen.
Der nächste Kirchentag im Jahre 2003 in Berlin wird ökumenisch sein. Ein Kapuzinermönch brachte die praktizierte Ökumene auf den Punkt. "Katholische Würste für evangelische Bäuche" pries er seine original aus dem Vatikanstaat importierten "Salsicce di Papa" vom Rost an.
Ich freue mich schon auf Berlin.
Brigitte Brandl


Evangelischer Kirchentag
1956 in Frankfurt

In diesem Jahr 2001 wurde ein Kirchentag in Frankfurt ausgerichtet, und meine Gedanken gingen zurück zu dem 1. Kirchentag, den mein Mann und ich erlebten; 1956, auch in Frankfurt.
Ich fuhr nicht gern für einige Tage fort. Wir ließen zwei kleine, quirlige Kinder bei den Großeltern zurück, und das dritte Kind war unterwegs und machte Beschwerden. So war ich nicht besonders motiviert, wollte keine Massenveranstaltungen erleben und wäre lieber in unserer dörflichen Idylle geblieben, in der wir damals lebten. Aber dann packte uns die besondere Atmosphäre dieses Kirchentages. Sie wurde geprägt von den vielen Besuchern aus der "Ostzone", die freundlich und selbstverständlich auf jeden zugingen, Gespräche führten und Herzlichkeit verbreiteten. Sie waren fröhlicher, lockerer und dankbarer für diese Tage als die Westdeutschen. In der Straßenbahn fingen sie plötzlich zu singen an, und bald sangen viele mit. Es sollen 25.000 Besucher aus der DDR in Frankfurt gewesen sein.
Das ist nun schon lange her, und vieles ist nicht mehr da, aber einige Begegnungen und Ereignisse habe ich nicht vergessen:
Da ist zunächst die immer überfüllte Halle, wenn Professor Thielicke sprach, ein überzeugter, großartiger Redner. Und dann die schöne Dichterlesung von Manfred Hausmann; die signierten Bücher der beiden Autoren habe ich noch.
Unvergessen auch die Gespräche mit dem Bekannten meines Mannes, der uns zu dieser Fahrt animiert hatte. Er wirkte in der Leitung des Kirchentages mit und erzählte begeistert von seiner Arbeit. Ich erinnere mich, dass er von einem Mitarbeiter sprach, mit dem er sich angefreundet hatte. Er hielt sehr viel von ihm und meinte, dieser junge Mann würde in der Politik noch seinen Weg machen. Der Name des jungen Mannes war Johannes Rau.
Den Schlussgottesdienst am Sonntag haben wir nicht mitgemacht, es drängte uns nach Hause. Aber da ist meine Erinnerung sehr lebendig an den Schlussgottesdienst in Berlin 1961. Auch dieser Kirchentag war geprägt durch die Teilnahme der Besucher aus dem Osten. Begleitet von über 100 Posaunen sangen wir im Olympiastadion "Sonne der Gerechtigkeit". Als wir wieder zu Hause waren, wurde die Mauer gebaut und die nächsten Kirchentage kamen kaum noch Teilnehmer aus der DDR, sie wurden kühler dadurch.
Hildegunde Janas
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