Lesen und Schreiben im Kindergartenalter

(27. März 2009) In Zusammenarbeit mit der Kreisvolkshochschule und der Sparkasse Wiehl hatte der Elternverein IKUH - kurz für Interessengemeinschaft Kind und Hochbegabung Bergisches Land - nach Wiehl eingeladen.
Die Dozentin Silvia Hempler leitet eine Kindertagesstätte mit Schwerpunkt Hochbegabung und hat in einer mehrjährigen Ausbildung ein Zertifikat zur Förderung hochbegabter Vorschulkinder erworben. Vor interessierten Eltern, Erziehern und Lernpädagogen beschäftigte sie sich einleitend mit der Frage: 'Warum sollen auch begabte Kinder gefördert werden? Entgegen landläufiger Meinung sei Förderung notwendig, da sonst Frustration und Langeweile entstehen, die zu Schwierigkeiten führen können. Etwa zwei Prozent der Kinder eines Jahrgangs sind besonders begabt. Eine Begabung, die jedoch nicht erkannt und unterstützt wird, versandet. Das Kind wird sich nie im Rahmen seiner Möglichkeiten entwickeln können.

Die Referentin berichtete praxisnah aus dem Alltag ihrer Einrichtung in Remscheid, die sich nicht als Elitebildungsstätte versteht, sondern Angebote, wie sie in jedem Kindergarten stattfinden, werden gezielt erweitert, so dass alle Kinder der Einrichtung davon profitieren. Die integrative Förderung soll helfen, dass auch die begabten Kinder lernen, ihre besonderen Bedürfnisse in der Gruppe gewinnbringend einzusetzen. 'Soziales Lernen' und 'Lernen lernen' nannte Hempler als wichtige Ziele der Hochbegabtenförderung im Kindergarten. Um den Lerninteressen der Kinder entgegenzukommen, werden in Remscheid Schwerpunktgruppen gebildet. Die Kinder beschäftigen sich mit Lesen, Schach, Rechnen, Theater, es gibt einen 'Professorenclub' und eine Naturforschergruppe. So können sich alle je nach Interesse und Vorwissen mit unterschiedlicher Intensität einbringen.

Um Begabungen erkennen zu können, die gefördert werden sollen, werden in Remscheid Beobachtungsbögen angelegt und Gespräche mit den Kindern geführt, die gezielt auf deren besondere Fähigkeiten eingehen. Dann suchen die Pädagoginnen aktiv das Gespräch mit den Eltern, denn laut Hempeler scheuen sich die Eltern oft, eine besondere Begabung bei ihrem als schwierig und ungewöhnlich wahrgenommenen Kind zu benennen. Oft sei es so, dass sie den Begriff 'hochbegabt' negativ besetzten. Hier gelte es im Elterngespräch Vorurteile abzubauen und den Eltern Hilfestellung im Umgang mit ihrem Kind zu geben.

Der Schwerpunkt des Vortrages lag auf der Frage, sollen Kinder schon im Kindergarten die Möglichkeit haben, Lesen und Schreiben zu lernen, wird dadurch nicht Lernstoff der Schule vorweg genommen ? In diesem Zusammenhang wurde besonders - auch von anwesenden ErzieherInnen - darauf hingewiesen, wie wichtig Zusammenarbeit mit der Schule ist - vor allem, wenn eine vorzeitige Einschulung erwogen wird. Hempler vertrat energisch die Meinung, dass man Hochbegabte auch im Kindergarten altersgemäß fördern kann, ohne dass der Bezug zur Gruppe dabei verloren geht. Vorrangig sei immer zu prüfen, wie man dem Kind den Verbleib im Kindergarten ermöglichen könne. Mit den geschilderten Maßnahmen könne man oft erreichen, dass das Kind sich in der Tagesstätte wohl fühle. Förderprojekte sowie ganz besonders eine "pädagogische Grundhaltung, die Besonderheit dieser Kinder zu erkennen und zu akzeptieren" könnten eine frühe Einschulung überflüssig machen. Nur wenn das Kind selbst unbedingt in die Schule wolle, sollte die vorzeitige Einschulung in Angriff genommen werden. Hier wünschte sich Hempler von allen Schulen die Flexibilität, die einige schon zeigten: Möglichkeiten wie Schnupperstunden bzw. -wochen mit der Option, problemlos in den Kindergarten zurückzukehren oder Einschulung während des laufenden Schuljahrs könnten den Übergang in die Schule zum richtigen Zeitpunkt erleichtern.

Hilfs- und Beratungsangebote für Familien mit hochbegabten Kindern sind dünn gesät. Der Umgang mit diesen Kindern ist für ErzieherInnen und Eltern oft sehr anstrengend und schwierig. "Hochbegabte Kinder", so Silvia Hempler, "brauchen vor allem ein Umfeld, das ihre Lebenssituation versteht." Der Initiator des Vortrages, der Verein IKUH, bemüht sich durch seine Angebote und in Zusammenarbeit mit der Kreisvolkshochschule Oberberg ein solches Umfeld zu schaffen und Eltern und Pädagoginnen in ihrer Arbeit zu unterstützen. Information findet man unter www.ikuh.de.

Der nächste Termin für den Elterngesprächskreis Oberberg ist am Montag, den 11. Mai, 19.30 im Wiehler Gymnasium. Der nächste Vortrag findet am 29.4. in Bergisch Gladbach zum Thema "Hochbegabung und Leistungsverweigerung" statt.