„LIEBE“ von und mit Hagen Rether – ein Dauerbrenner

(18. Dezember 2009) Seit 2003 spielt er sein Soloprogramm „Liebe“, das er stets aktualisiert und immer variiert. Eigentlich sollte er ja schon im November letzten Jahres in der Wiehltalhalle auftreten, aber auf so gutes Polit-Kabarett kann man auch mal ein bisschen warten. Das Publikum in der Wiehltalhalle kam am Dienstag nach dem dritten Advent zum Nachdenken mit Langzeitwirkung. Vielleicht sogar hier und da ein wenig Um-Denken und mancher vielleicht auch zu neuen Erkenntnissen.
Hagen RetherHagen Rether Gekleidet in edlem Zwirn, schelmisch lächelnd vor seinem Klavier im Chef-Bürostuhl verpasste Hagen Rether scheinbar ganz nebenbei im smarten Plauderton dem Publikum seine Sicht der Dinge. Zynisch, sarkastisch und die Dinge auf subtile Weise genau auf den Punkt bringend, das ist Hagen Rether. Da sinniert er laut über Banken, Papst, Lafontaine, die Merkel und Energiesparlampen. Das Publikum in der Wiehltalhalle ließ sich gerne von seinen Aufführungen zu diversen Themen unterhalten. Dabei zeigte sich Rether als ganz genauer Beobachter der Weltgeschichte. So hat Lafontaine schon vor Jahren die Verstaatlichung der Banken gefordert, was so gar nicht ankam und die Briten verfluchten ihn deshalb – führten aber als erste die Verstaatlichung ein. Populismus sei ein Wort, was Spitzenpolitikern vorgeworfen werde, aber das ist so als ob man einem Sportler das Schwitzen ankreide. Als Politiker in vorderster Front muss man populistisch sein. So auch die „beste Kanzlerin, die wir je hatten“, der das Wort „Bildungsrepublik-Deutschland“ mal aus dem Mund gefallen ist – und dann war es weg. Aber Hagen Rether findet, sie macht es gut, nach dem Motto „Learning by doing“ und man verstehe alles was sie sage – wer benötige da schon Inhalte. Bewundernswert wie sie sozusagen am Fluss stehe und warte bis die Feinde vorbeischwimmen – so seien die „jungen Wölfe“, die angeblich ihre Gefahr zu Amtsbeginn sein sollten, alle durch eigene Dusseligkeit baden gegangen.

Hagen Rether sagt frei raus was seine Meinung ist. Zu diesem und jenen und vor allen Dingen zu vielen Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft und Politik. Wieso fährt beispielsweise der Papst im Panzerglas-Papamobil durch die Gegend und predigt Gottvertrauen. Auch dem Dalai Lama hat Rether genau zugehört – der gibt Binsenweisheiten von sich und kichert nach jedem zweiten Satz und mutiert so zum Peter Lustig für enttäuschte Christen. Rether empfiehlt daher: „Einfach nett zueinander sein“, das lerne man schon im Kindergarten. Aber es muss wohl immer einen sogenannten Watschenbaum für jeden Bereich geben - im Bereich Finanzen ist das Ackermann, der bei jeder Börsenschwankung vor die Bildschirme zu Interviews gezerrt wird. Aber da kommen ja eh immer Wiederholungen. So auch die Castor-Demo, die mittlerweile in jährlicher Regelmäßigkeit stattfindet wie die Passionsspiele in Oberammergau. Aber im Fernsehen finde sowieso nur die totale Beliebigkeit statt und „Marcel Reich-Ranitzky musste erst 88 werden, um herauszufinden dass im TV nur Scheiße läuft“.

Der Mann am Klavier bzw. in der Wiehltalhalle am Flügel klimperte ab und zu virtuos Melodien oder verfiel in einen Flügel-Putz-Wahn. Dabei bezeichnete er sich dann selbst als „ein wenig Zwanghaft“, was aber seinem Plauderton keinen Abbruch tat. Seine Kommentare sind so treffend und Punktgenau. Zwischendurch wird er schon Mal laut oder murmelt „Was rege ich mich auf“. Mit seiner spitzfindigen, brillanten Einmannshow präsentiert der begnadete Zyniker seinen hintersinnigen Humor und entlarvt dabei den real existierenden Stumpf- und Schwachsinn.

Seine frühsten Kinderjahre verbrachte Rether als Sohn deutschstämmiger siebenbürgischer Eltern im rumänischen Bukarest und Hermannstadt und später dann in Freiburg. Seit seinem achten Lebensjahr spielt er Klavier, studierte an der Folkwang-Hochschule in Essen, wo er auch heute lebt. Bevor er mit einem eigenen Soloprogramm tourte, war er unter anderem als Pianist im Programm von Ludger Stratmann tätig. Jetzt tourt er mit seiner Einmannshow und verabreicht einfach nur die Wahrheit ohne Übertreibung in einer vergnüglichen Verpackung. Dabei wechselt Rehter gekonnt zwischen Albernheit und tiefer Tragik, Größenwahn und Verlegenheit, Flirt und Attacke - sein Publikum zwischen Liebe, Lachtränen und stummem Entsetzen. „Keine Frage, mit Rethers kurzweilig-intelligenter, oft hochpolitischer Pianoplauderei ist das deutsche Musikkabarett endlich im 21. Jahrhundert angekommen” schreibt die FAZ.

Ein geniales Kabarett mit Soundtrack –ob mit Michael Jackson Song oder Herbert Grönemeyers „Männer“ als Hagen Rethers „Frauen“ („Frauen sind Schlampe und Fee und pinkeln keine Muster im Schnee“). Zwischendurch schaute Hagen Rether schon mal auf die Uhr – aber das Publikum hing bis zum letzten Satz an seinen Lippen. Nach drei Stunden Genuss von Rethers’ „LIEBE“ gingen dann doch die Lichter an und die Bananen, die so stilvoll auf dem Flügel drapiert waren, warf Rether ins Publikum, das einen kurzweiligen Abend erlebt hatte, bei dem Mitdenken Pflicht war.

Vera Marzinski

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Fotos: Vera Marzinski