Gehobene Unterhaltung mit Hildebrandt und Willemsen

(15. März 2009) Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen erörterten das Wesen von Wahrheit und Lüge und erarbeiteten eine kleine Weltgeschichte der Unwahrheit. Sie fanden nichts als Lügen – angefangen im Paradies, über die Tier- und Pflanzenwelt und bei einem tiefen Blick in die Menschheitsgeschichte. Weder Marc’o Polo noch Luther, noch Ex-Bundeskanzler Kohl kamen hier ohne Nachweis der Lüge weg.
Was da alles über die Lüge aufgedeckt wurde – eine geballte Ladung für das Publikum in der vollbesetzten Wiehltalhalle. Plaudernd, von Hölzchen auf Stöckchen kommend, deckten die beiden Herren auf der Bühne so manches auf. Nicht nur, dass wir doch die Lügen synchron mit der Sünde geerbt haben. Ist die Lüge einfach nur der nachlässige Umgang mit der Wahrheit? Zeigt dies nicht schon die Steigerung wahr, wahrscheinlich und unwahrscheinlich? Hildebrandt und Willemsen deckten auf, dass viele Berufe ohne Lüge nicht auskommen. „Das Polo-Shirt steht ihnen ausnehmend gut, türkis ist ihre Farbe“ flötet beim Einkauf so oder ähnlich die Verkäuferin und der Heiratsvermittler kommt sicher nicht ohne ein „Aber sie sind doch attraktiv“ aus, wenn er seine Kundschaft behalten will. Männer und Frauen lügen sowieso unterschiedlich. Männer zur Selbstdarstellung und Frauen, damit sich das Gegenüber besser fühlt.

Die Lüge ist überall, selbst in der Tier- und Pflanzenwelt wird sie angewendet. Es existiert ein Kosmos der Lüge, aber wenn man schon belogen wird, dann sollte dies raffiniert geschehen. Gerade in der Liebe muss da wohlbedacht vorgegangen werden, denn die Frage, ob der Po zu dick sei, dürfe nie mit einem „ja“ oder „ein wenig vielleicht“ beantwortet werden. Ihm solle schwindelig von der Liebe werden, verriet Willemsen, dies sei der einzige Schwindel auf den er bestehe.

Schwindel in der Politik ist da eher nicht so angebracht. Da wird viel von Glaubwürdigkeit gesprochen, was nichts mit wissen sondern glauben zu tun hat. Erstaunlich ist, dass in der ersten Zeit der Menschheitsgeschichte gelogen wurde, um den Feind irrezuführen, heute zur Irreführung des eigenen Volkes, was das Duo anhand des Irak-Krieges verdeutlichte.

Aber die beiden Protagonisten gaben dem Publikum ein paar Kriterien mit auf den Weg, mit denen sie ihren eigenen kleinen Lügendetektor entwickeln können. Sätze wie „Wenn ich mich recht erinnere“ sind da schon als sehr verräterisch einzustufen und verdeckte Komplimente, konkrete Zahlen- und Datumsangaben oder die sinnlose Gegenfrage „Ich?!“ sollten Misstrauen wecken und könnten zur Entlarvung der Lüge führen.

Der Text des umfangreichen Programms rund um die Welt der Lüge ist perfekt durchkomponiert. Willemsen übernahm im Duo die Rolle des naseweisen Intellektuellen, während Hildebrandt lustvoll den moralisch Empörten mimte. Da kam dann auch von Willemsen schon mal ein „Fehlt ihnen da der klare Blick oder vielleicht nur hier der „Scheibenwischer“?“, worauf Hildebrandt konterte: „Diese Pointe habe ich ihnen zugetraut“.

Fast konsequent hielten sich die beiden an den Text des Buches, aber zwischendurch kam doch die Improvisationskunst der beiden zum Vorschein und zeigte die Brillanz dieser beiden Bühnenprofis. Deutschlands bester Kabarettist Dieter Hildebrandt und Multitalent Roger Willemsen zogen das Publikum vom ersten Satz an in ihren Bann. Als das x.-Glas in den Publikumsreihen umfiel, hatte Willemsen natürlich auch die kleine zynische Bemerkung parat:„Rhetorisch hat es keinen Sinn, mehr Einfluss auf diese Trunkenbolde zu nehmen“.

Premiere hatte der Text von Traudl Bünger und Roger Willemsen über die „Weltgeschichte der Lüge“ auf der LitCologne 2007 und das mit großem Erfolg. „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort!“, so auch der Titel des Buches, bringen Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen als Programm seit 2008 gemeinsam auf die Bühne. Mit einem synchron gesprochenen „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“ und dem Zusatz: „Wenn es schön war, ist es doch egal, ob es wahr ist“ verabschiedete sich das geniale Paar nach der szenischen Lesung vom begeisterten Wiehler-Publikum.

Vera Marzinski