liebe Kolleginnen und Kollegen,
I.
lassen Sie mich auch dieses Jahr mit einer Vorbemerkung die Präsentation des Wiehler Haushaltes für das Jahr 2012 beginnen. Auch wenn es mittlerweile Standard zu sein scheint und vielleicht schon einmal ermüdet, möchte ich die Rolle einer Stadt wie Wiehl im Kontext der Globalisierung, Digitalisierung und demografischen Entwicklung kurz anskizzieren. Auch die globale Finanzkrise, die auch eine Haushaltskrise ist, soll Berücksichtigung erfahren.
Die kommunikative Vernetzung, ausgelöst durch die Digitalisierung, schreitet immer weiter voran. Sie schafft neue Welten, neue Kommunikationsebenen, neue Bewusstseins- und Wahrnehmungsräume. Die vermeintlich erstmals harmonische Übergangskultur von einer Generation zur anderen wird in Wirklichkeit durch eine sichtbare Zäsur der Kommunikation und ihrer Begrifflichkeiten verändert. Wer die Facebook- Generation gewinnen will, darf nicht mit Verboten oder Kommunikationssperren drohen und eine an Zahl geringer werdende junge Generation hat Ausweichmöglichkeiten. Sie begehrt nicht auf, sondern macht ihre eigene Welt. Politisch werden wir dies schneller erleben, als wir es uns zurzeit vorstellen können. Die Globalisierung im Sinne des Schaffens immer weiterer weltweiter Zusammenhänge ist eine Folge der objektiven Möglichkeiten, zur Überwindung von Zeit und Raum, aber auch der Konsequenz eines gemeinsamen großen Lebensraums namens Erde. Die komplexer werdenden Zusammenhänge werden durch die technische Innovation vermeintlich einfacher, vermeintlich verbraucherfreundlicher, in jedem Falle aber anspruchsvoller. Und dann kommt noch die demografische Entwicklung, die jedenfalls ausgehend vom Ist-Bestand weltweit und für jedes Land prognostizierbar ist. Sie ist für jede Kommune, auch die Stadt Wiehl, bis Mitte des Jahrhunderts im Wesentlichen vorhersehbar. Die Veränderungspotenziale durch Migration, einfacher ausgedrückt durch Zu- und Wegzüge, sind nicht unerheblich, sie stellen nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Chance dar.
Wenn man bedenkt, dass zu allem noch ein gesellschaftlicher Wandel mit dutzenden von unterschiedlichen Lebensformen und tausenden von individuellen Lebensentwürfen einhergeht, dann wird einem klar, dass wir am Beginn einer Neudefinition der Rahmenbedingungen in unserer Kommune stehen. Nicht revolutionär, aber fließend.
Die Haushalts- und Finanzkrise beschäftigt uns nun aktuell, obwohl sie seit Jahrzehnten vorhergesagt wurde, wenn das fremde Kapital nicht durch entsprechende Produktivität oder Einnahmeerwartungen finanziert und langfristig getilgt werden kann. Ich möchte das Thema einfach reduzieren auf den eigentlichen Ursprung des volkswirtschaftlichen Sinns eines Finanzinstitutes. Es gibt immer Menschen, die Geld sparen, Geld übrig haben und dieses anlegen wollen. Adressat ist meist eine Bank. Diese Bank muss das gleiche Geld, um die erwarteten Zinsen erwirtschaften zu können, anlegen. Dies kann sie in Form von Krediten an Firmen, an Bürger, zur Finanzierung von langfristigen oder kurzfristigen Wirtschaftsgütern ausleihen, zu einem Zins, der dem Anleger, dem Institut und dem Risiko gerecht wird. Soweit der einfache Ursprung. Wenn nun aber Staaten, aber auch Firmen und vor allem viele Millionen Menschen ihre Investitions- und Konsumwünsche nicht vom eigenen Einkommen bestreiten, sondern durch die Ersparnisse anderer abdecken, kommt es zwangsläufig, wenn das eigene Einkommen sich nicht steigert, zu einer schwierigen Situation. Dies ist im Großen wie im Kleinen so und gilt auch für Kommunen, die ihre Ausgaben durch die Einlagen anderer bei den Banken finanzieren lassen.
In der Stadt Wiehl weiß man, wovon hier die Rede ist, denn die letzten fünfzig Jahre unserer Entwicklung spielte die Betrachtung der Frage von existenznotwendiger und ökonomisch vertretbarer Investition über Fremdkapital immer eine große Rolle. Das lange Ende der Betrachtung wurde immer bedacht und man sieht es an der seit zehn Jahren eintretenden Entschuldungskurve, dass wir Erfolg haben.
Dass wir Probleme im Bereich verbrauchsbedingter Refinanzierung beim Abwasser, dem Wasser und der Vermietung und Verpachtung haben, hängt mit der demografischen Entwicklung zusammen. Diese zu ignorieren, wäre in der Tat sträflicher Leichtsinn. Das Thema wird uns noch beschäftigen.
Aber es herrscht arge Not in der kommunalen Familie Nordrhein-Westfalens. Nicht nur, dass die Summe der Kassenkredite in diesem Jahrzehnt von zur Zeit 20 Mrd. € auf mehr als das Doppelte zu steigen droht, wobei man allerdings auch sehen muss, dass etliche Kommunen seit Jahren ihre Investitionen wegen des günstigeren Zinsniveaus ebenfalls über Kassenkredite finanzieren; auch die erste seriöse Bank (WL-Bank in Münster) hat den Beschluss gefasst, an Nothaushaltskommunen keine Neukredite und keine Kreditprolongation mehr herauszulegen. Weitere Banken scheinen diesem Beispiel folgen zu wollen. Eine gewisse Nervosität macht sich auch im öffentlichrechtlichen Sparkassensektor breit. Insoweit ist es nachvollziehbar, dass das Gemeindefinanzierungsgesetz, um einen Stärkungspakt ergänzt, versucht, hier Abhilfe zu schaffen. Dabei ist die stärkere Gewichtung des Soziallastenansatzes ohne Zweifel eine Hilfe für die Kommunen zur Bewältigung ihrer sozialen Lasten. Da das Volumen der zur Verfügung stehenden Mittel nicht entsprechend steigt, geht dies aber zu Lasten der besserstrukturierten Kommunen, also auch zu unseren Lasten, wenn wir denn Schlüsselzuweisungen erhielten. In Zukunft übernimmt der Bund die Kosten der Grundsicherung in drei Schritten, sodass eine gewisse Entlastung auf kommunaler Ebene eintritt. Hieran möchte man aber die finanzstarken Kommunen nicht teilhaben lassen. Deshalb soll eine Abundanzumlage die Vorteile dieser Entlastung kompensieren. Da bei den kreisangehörigen Kommunen der Entlastungseffekt beim Kreis eintritt, nicht aber der kreisangehörigen abundanten Kommune unmittelbar zu Gute kommt, wirkt sich eine Abundanzumlage als ungerechtfertigte Abschöpfung aus. Hierüber wird im Gesetzgebungsverfahren noch heftig zu diskutieren sein.
Im Interesse der Stadt Wiehl würde ich dem Rat vorschlagen, nach Kontaktaufnahme mit anderen abundanten Kommunen, wie Langenfeld oder Attendorn, hiergegen in Gemeinschaft Verfassungsbeschwerde zu erheben. Anders ist es bei den Fiktivhebesätzen, die alle Kommunen treffen und bei denen wir zur Anpassung unserer Grundsteuer B gezwungen sein werden.
Mit diesen Skizzen möchte ich zu den Schwerpunkten unserer Haushaltsplanung übergehen.
II.
Der Haushaltsplan für das Jahr 2012 wird ausgeglichen vorgelegt. Einziger Wermutstropfen ist die notwendige, vom Landesgesetzgeber im GFG implementierte Anpassung der Grundsteuer B. Im Übrigen geht unsere Haushaltsplanung bis zum Jahre 2015 von einem in Erträgen und Aufwendungen ausgeglichenen Ergebnis aus. Dabei haben wir versucht, den Dreiklang von Schuldenabbau, Erhalt der Gestaltungskraft und Aufbau zukünftiger Investitionsfähigkeit zu beachten. Dass diese Ziele nicht immer in gleicher Proportion zu einander stehen und möglicherweise bei wichtigen Investitionen auch einmal zeitweise verschoben werden können, steht außer Frage. Angesichts der Tatsache, dass mit dem nunmehr vorgelegten Haushaltsplan eine detaillierte Budgetplanung in die Tiefe aller unserer Produkte erfolgt ist, die entsprechenden Übersichtsgrafiken alle wichtigen Komponenten unser Finanzstrukturen widerspiegeln und der Vorbericht an Ausführlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig lässt, möchte ich dieses inklusive Nebenhaushalten im Aufwands- und Erlösvolumen deutlich über 120 Mio. € reichende Gesamtplanwerk nur nach strukturellen Schwerpunkten beleuchten.
Die ertragsauslösenden Strukturen sind unsere mehr als 400 steuerzahlenden Betriebe, in denen 10.000 Beschäftigte tätig sind, unsere knapp 26.000 Einwohner, insbesondere die versicherungspflichtig Erwerbseinkommen erzielenden, der gesamte abgabepflichtige Grundbesitz, die Nutzer und Verbraucher und die Transferleistungen empfangenden Einrichtungen.
Wir erwarten
- von unseren Betrieben 21,0 Mio. €
- von unserer Beteiligung an der Lohn- und Einkommenssteuer unserer Bürgerinnen und Bürger ca. 9,5 Mio. €
- als Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer 2,0 Mio. €
- aus der Zahlung von Grundsteuer 3,8 Mio. €
- an Zuweisungen vom Land, vom Bund und anderen öffentlichen Trägern zu unseren Schulen, Kindergärten und anderen sozialen Einrichtungen 5,3 Mio. €
- an öffentlich-rechtlichen Leistungsentgelten, wie Verwaltungsgebühren, Friedhofsgebühren, Straßenreinigung, Elternbeiträgen in Kindergärten und offenen Ganztagsschulen etc. 2,5 Mio. €
- aus Konzessionsabgaben für Strom, Gas und Wasser 1,4 Mio. €
- an Kostenerstattungen und Umlagen 1,6 Mio. €
Bei den Aufwendungen sieht das Bild wie folgt aus:
- Personal- und Versorgungsaufwendungen 9,2 Mio. €
- Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen 7,0 Mio. €
- Bilanzielle Abschreibungen 4,3 Mio. €
- Transferaufwendungen 26,1 Mio. €
- Sonstige ordentliche Aufwendungen 2,2 Mio. €
Bei den Aufwendungen haben wir es mit der erwarteten deutlichen Erhöhung der Gewerbesteuerumlage aufgrund unserer Mehreinnahmen zu tun. Die Kreisumlage ist zunächst einmal aufgrund der Vorgaben des Kreises kalkuliert. Die Betriebsaufwendungen, insbesondere in der Unterhaltung unserer Gebäude, Straßen und Einrichtungen sind deutlich erhöht worden, um den rezessionsbedingten scharfen Bremseffekt der Jahre 2009 bis 2011 nicht zu substanziellen Vernachlässigungen werden zu lassen. Insoweit stellt der Haushalt 2012 auch eine Umkehr der Rezessionsfolgen dar.
Bei der Betrachtung des im Volumen verdoppelten Investitionsplanes wird dies ebenfalls deutlich. Haben wir in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen zurückgestellt oder verschoben, so ist es jetzt an der Zeit, mit den gewonnen finanziellen Möglichkeiten weiter zu investieren und Aufgeschobenes nachzuholen. Refinanziert durch die entsprechenden Investitionspauschalen, die das Land zur Verfügung stellt, durch projektbezogene Mittel der Städtebauförderung, der Verkehrsfinanzierung, der Kindergartenförderung, Beiträge Dritter und eigener Mittel werden eine ganze Reihe von Maßnahmen in Angriff genommen werden können.
Im Verkehrsbau ist dies der Bau eines Bahnübergangs und des Verbindungsstücks zwischen den Kreiseln Bahnhofstrasse und L 336, der Nebenanlagen zu dem Umgehungsstraßenprojekt L321 in Unterbantenberg und die erste Umsetzungsphase im Rahmen des IHK Bielstein. Wie wichtig die weitere Bürgerbeteiligung und Beratung des IHK Wiehl werden wird, ist durch die eingeplante Maßnahme eines Busbahnhofes durch das Land deutlich geworden. Hier werden wir zügig beraten und entscheiden müssen. Einen großen Umfang nimmt auch der Ausbau unserer Kindergärten, insbesondere die „U3-Ertüchtigung“ ein. Bauliche Sanierungen an eigenen Gebäuden sind ebenso geplant, wie der Einstieg in die Umstellung auf LED-Technik bei Beleuchtungseinrichtungen. Letztlich ist auch eine erste Rate für den „Sparstrumpf“ zur zukunftsfähigen Umgestaltung der Bäderlandschaft in der Stadt Wiehl angelegt. Ich darf einfach resümieren, dass wir mit dem Haushalt 2012 zahlreiche Maßnahmen, die geschoben wurden, jetzt zur Realsierung bringen, in der Annahme, dass damit auch die seinerzeitigen „Vertröstungsversprechen“ eingelöst werden. Natürlich gibt es darüber hinaus noch zahlreiche weitere Überlegungen, Wünsche und Ziele. In unserer Stadt konnten bei weitem nicht alle Kunstrasenprojekte realisiert werden und nicht alle Sportstätten so in Stand gesetzt werden, dass wir von einer langfristigen Zukunftsperspektive sprechen können. Insofern unterscheiden wir uns von finanzschwachen Kommunen. Auch der Feuerschutz in Oberwiehl bedarf noch einer Lösung, vielleicht auch im Zusammenhang mit einer weiteren städtebaulichen Entwicklung.
III.
Lassen Sie mich, unter dem Aspekt der von uns entworfenen mittelfristigen Haushaltsperspektive bis zum Jahre 2015, einige für uns wichtige Gedanken formulieren. Insbesondere müssen wir uns auch für den Fall des nicht Eintreffens der zur Zeit vorgenommenen Einschätzungen wappnen. Es muss also auch ein Plan B bestehen. Der Kernhaushalt unserer Stadt wird zügig den Konsolidierungsprozess fortentwickeln. Auch Investitionen und Gestaltungsmöglichkeiten bleiben erhalten. Schuldenfreiheit im Kernhaushalt werde ich persönlich wohl nicht mehr erleben, gleichwohl ist die Perspektive aufgezeichnet - und wenn die Welt nicht zusammenbricht - , wird dieses Ziel erreicht werden. Wenn konjunkturelle oder systembedingte Störungen eintreten, haben wir, glaube ich, mit der Jahreswende 2008/2009 alle zusammen schnell reagieren können. Das Instrumentarium von Kostensenkungen, Einsparbeschlüssen und Zurückstellungen war noch lange nicht ausgereizt. Sorgen machen unsere Eigenbetriebe, insbesondere die Stadtwerke und das Abwasserwerk, bedingt die BEW und der Eigenbetrieb FSW. Während bei letzteren Steuerungsmechanismen aktivierbar sind bzw. die Verpflichtung der Muttergesellschaft Stadt deutlich wird, befinden wir uns mit den Stadtwerken und dem Abwasserwerk in einem Demografieproblem. Dies bezieht sich sowohl auf die Zahl als auch die Struktur der Verbraucher. Zugleich werden beide Bereiche mit Sanierungs- und Hygieneauflagen belastet, die als Fixkosten nicht mehr über die Menge zu den bisherigen Preisen refinanziert werden können. Dass unser Abwasserwerk nebenbei die 25 Mio. € Verschuldung überschritten hat und die Stadtwerke dabei sind, 7,5 Mio. € zu überschreiten, lässt die Frage danach aufkommen, ob die Betriebsgrößen und damit die Versorgungsräume in Relation zu den Fixkosten richtig definiert sind. Entweder lassen sich Wege finden, die weitere Verschuldung zu reduzieren oder und dies schlage ich ernsthaft vor, wir nutzen die Chance, um durch die Einbringung unserer Wasserversorgung in die AggerEnergie den kommunalen Anteil der oberbergischen Kommunen zu erhöhen, so wie es die Gemeinde Marienheide bereits getan hat und es möglicherweise noch Nachahmer finden wird. Denn jetzt bietet sich die Gelegenheit durch eine Risikoteilung und Risikodiversifizierung die eigene Situation zu verbessern und gleichzeitig das strukturelle Ziel zur Schaffung eines oberbergischen Querverbundunternehmens endlich zu erreichen. Nachdem die RheinEnergie deutlich signalisiert hat, auch mit einer Gesellschafterposition eines Minderheitsgesellschafters seine regionalen strategischen Interessen wahrnehmen zu können, liegt es jetzt an den Oberbergern, eine regionale Struktur zu schaffen, auf halbem Wege stehen zu bleiben oder endgültig in Kleinstaaterei zurückzufallen.
Was das Abwasserwerk anbetrifft, bietet es sich geradezu an, mit dem Aggerverband, der dies bereits mit einer Rhein-Sieg-Kreis-Gemeinde praktiziert, über Gemeinschaftsstrukturen aktiv nachzudenken. Fixkostendegression ist auch hier angesagt.
Und noch eines. Die „letzte Meile“ der zentralen Entwässerung wird uns bei der Sanierung und Instandhaltung noch schwer zu schaffen machen. Ebenso die letzte Gerechtigkeit der gespaltenen Abwassergebühren, die aufgrund der OVG-Entscheidung rückwirkend zu erfolgen hat. Das Erhebungs- und Veranlagungswirrwarr für 10.000 Haushalte war vorhersehbar. Wir sind zur Zeit an unsere personellen Grenzen geraten.
IV.
Und wenn wir denn bei öffentlichen Strukturen sind und zur Kenntnis nehmen müssen, dass wir möglicherweise in den kommenden Jahrzehnten mit stagnierenden Ressourcen, schrumpfender Bevölkerungskopfzahl und einem veränderten Altersaufbau leben müssen, dann stellt sich auch die Frage, ob nicht in anderen Bereichen öffentlicher Dienstleistungen andere Wege gegangen werden müssen. Ob wir es wollen oder nicht, die technische Digitalisierung und das Internet verändern Kommunikationswege für Jung und Alt und verändern die Anforderungsprofile an kommunale Strukturen. Dies macht weder vor Schulen und Kindergärten noch vor Sparkassen und Sportvereinen halt und so steht auch der Haushaltsplan 2012 nur als Momentaufnahme im Raum. Bei allem Willen, mit kommunaler Infrastruktur die Stetigkeit in einer unstetigen Welt abbilden zu wollen, werden wir dies nur schaffen, wenn wir uns ohne Hektik, aber entschlossen den Herausforderungen dieser sich verändernden Welt stellen.
V.
Für heute möchte ich in der Perspektive für die vor uns liegenden Jahre feststellen, dass wir mit unseren Zielprojektionen einer lebens- und liebenswerten Stadt Wiehl mit familienfreundlicher Schwerpunktbildung ein gutes Stück weiter gekommen sind. Wiehl bleibt eine kleine Einheit, die ihre Stärke in der Individualität und auch ihrer Vernetzung suchen muss. Im Gegensatz zu größeren Kommunen haben wir keine Volumenpotentiale. Hier bei uns muss weitgehend „selbst gekocht“ werden. Für Wiehl gilt der Grundsatz „Menschen ziehen Menschen“ und wir stehen am Vorabend der Wellenbewegung der nächsten Generation. Dies betrifft unsere Betriebe, unsere Schulen, unsere Vereine, unsere Wiehler Gesellschaft, aber auch unsere Wiehler Stadtverwaltung. Diese knapp 200 Frauen und Männer, Teilzeit oder Vollzeit, in den verschiedensten Tätigkeitsbereichen, bemühen sich das Tempo unserer städtischen Entwicklung zu begleiten. Die Aufgabenfelder haben sich in der Umsetzung von Leitbildvorgaben und Investitionserfordernissen drastisch vermehrt. Wir sind hochmotiviert, aber auch in unserem Gebälk knirscht es. Für viele neue Projekte fehlen die Mitarbeiter. Dankenswerterweise war die formale Rats- und Ausschussarbeit bislang im Gemeindevergleich entlastend. Gleichwohl möchte ich betonen, dass die Personalwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten immer unter dem Grundsatz der Haushaltskonsolidierung gestanden hat. Personalentwicklung, Aus- und Fortbildung, Nachwuchsförderung und kommunikatives Coaching konnten nur ansatzweise erfolgen. In den kommenden 10 Jahren werden 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Stadtverwaltung ausscheiden, in den darauffolgenden 10 Jahren werden es 70 sein. Die wellenartigen Zyklen spiegeln den finanzpolitisch bedingten Altersaufbau unserer Verwaltung wieder. Umso wichtiger ist die Aktivierung von Ehrenamtlichkeit, Vernetzung und Selbstorganisation. Hierzu den organisatorischen Rahmen zu bieten, sollte auch in Zukunft unsere Verpflichtung sein. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir dabei der freiwilligen Feuerwehr widmen. Der Gedanke der „strukturierten Freiwilligkeit“ hat in Wiehl manches Mal Berge versetzt. Insoweit ist die sich anbahnende Aktivität unserer Stiftungen im kulturellen, sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich wichtig. Die Anbindung junger Menschen, auch nach der Bildungsabwanderung, unter dem Gesichtspunkt „Ein Fuß in Wiehl“ wie die Zukunftsstiftung es formuliert hat, wird immer wichtiger. 10.000 Arbeitsplätze in Wiehl sind und bleiben eine Grundvoraussetzung für die Stabilität der Region. Stabilität entsteht aber nur durch Zukunftsperspektive, durch Erwerbseinkommen, soziales und kulturelles Umfeld sowie Wohnsituation. In all diesen Bereichen haben wir noch „Baustellen“ und zuletzt müssen wir uns über die Rolle Wiehls in der Region genauso Gedanken machen, wie wir über die stärkere Einbeziehung unserer Bürgerinnen und Bürger eine Atmosphäre des Hierbleibens und des Willkommenseins entwickeln. Andere haben alle unsere Erkenntnisse auch schon adaptiert, aber noch haben wir einen deutlichen Ideen- und Entwicklungsvorsprung. Wir werden, beginnend mit den Haushaltsberatungen für das Jahr 2012, einen länger anhaltenden Veränderungsprozess zu begleiten haben. Dies beginnt mit der Meinungsbildung über Schulformen in Wiehl, die wir alsbald auch mit den Verantwortlichen und Betroffenen diskutieren müssen, setzt sich über die Umsetzung des integrierten Handlungskonzeptes in Bielstein und dessen breite Diskussion in Wiehl fort. Die veränderten Anforderungen an den Wohnstandort und die Wohnformen durch den veränderten Altersaufbau unserer Gesellschaft in Kongruenz mit zahlreichen anderen Interessen zu bringen, der Jugend eine Perspektive zu bieten, sie zum Bleiben oder zum Wiederkommen zu bewegen, den Generationswechsel in Betrieben und öffentlichen Einrichtungen zu begleiten und noch vieles mehr erfordern eine gewisse intellektuelle Fertigungstiefe, die durch Klugheit oder Erfahrung gewonnen werden kann. Man könnte auch sagen, Erdverbundenheit schützt vor groben Fehlern, selbst wenn sie daran hindert, das ganz große Los zu ziehen.
Ich habe lange überlegt, welchen Leitspruch ich zum Abschluss für die Diskussion der kommenden Zeit suchen soll und bin dabei auf einen Wahlspruch eines Volksstammes gestoßen, der heute noch im Norden der Niederlande und Deutschlands lebt, nämlich der Friesen, über die Tacitus fast lästig bemerkte, dass sie schwer zu unterdrücken seien. Er lautet auf Englisch (weil ich nicht sicher bin, den friesischen Text richtig auszusprechen): „If it can`t be the way it should be, then let it be the way it can be“. Auf Deutsch (frei übersetzt): „Wenn es nicht so gehen kann, wie Du es gerne hättest, dann lass es so sein, wie es sein kann.“
In diesem Sinne bedanke ich mich bei Ihnen allen für die gute Zusammenarbeit, besonders auch bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wünsche unseren weiteren Diskussionen im Ringen um den richtigen Weg einen fruchtbaren Verlauf.