"Reden Sie dem Erkrankten seine Wahrnehmungen nicht aus, sondern beruhigen ihn und lenken ihn ab", riet der Waldbröler Neurologe Dr. Michael Voßkämper.
"Selbst der ehemalige Präsident Ronald Reagan hat solche eine Kopfbedeckung getragen." Angesichts der steigenden Anzahl von Betroffenen sei die Erkrankung Alzheimer auch in Deutschland immer weniger mit einem Makel behaftet.
Im Rahmen der Ausstellung "Wenn aus Wolken Spiegeleier werden" mit Bildern des Künstlers Carolus Horn informierte das Wiehler Johanniter-Tagespflegehaus am Sonntag, 22. April, mit Fachvorträgen über die Alzheimer-Demenz. "Je älter die Menschen werden, umso häufiger treten Alterskrankheiten wie Alzheimer auf", erklärte Hanna Fischer-Wolter, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Nürnberger Konzerns Novartis. Das Pharmaunternehmen ist Eigentümerin der Bilder des an Alzheimer erkrankten und 1992 verstorbenen Werbegrafikers Horn.
Floskeln statt klare Antworten
"Im Jahr 1950 gab es in Deutschland rund 6000 Menschen im Alter über 90 Jahren", informierte Fischer-Wolter. "Im Jahr 2000 waren bereits mehr als 600 000 Menschen in diesem Alter."
Die Zunahme der Erkrankungen stellt besondere Herausforderungen an Angehörige und Fachleute, meinte der Neurologe Voßkämper in seinem Referat. "Im Anfangsstadium merken die Betroffenen, dass sie auf gezielte Fragen nach Geschehnissen aus der jüngsten Vergangenheit keine klare Auskunft mehr geben könne", so Voßkämper. "Sie retten sich dann in Floskeln und Allgemeinplätze."
Im weiteren Verlauf komme es zu Depressionen und Wahrnehmungsstörungen, zu Misstrauen, falschen Verdächtigungen, Verhaltenstörungen oder aggressiven Impulsen. "Reden sie dem Menschen seine Empfindungen nicht aus, beruhigen sie ihn und lenken sie ihn ab", riet Voßkämper.
Peter Dünnwald, Leiter des Wiehler Johanniter-Tagespflegehauses, Johanniter-Regionalvorstand Michael Adomaitis und Hanna Fischer-Wolter, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Firma Novartis (von links)
Das Begleiten und Betreuen der Erkrankten orientiere sich heutzutage an der Biografie der Menschen, an ihrer beruflichen Laufbahn und persönlichen Geschichte, erklärte Voßkämper. "So reden wir zum Beispiel mit einem ehemaligen Landwirt über Traktormotoren, mit anderen über Erlebnisse aus ihrer Kindheit", berichtete Peter Dünnwald, der Leiter des Johanniter-Tagespflegehauses. "Dabei finden die Betroffenen ein Stück ihrer Identität wieder."
Für den Künstler Carolus Horn war das Malen eine Verbindung zum eigenen Ich. Wie sich seine Bilder im Laufe der Erkrankung veränderten und dabei Einblick in die Wahrnehmung von Alzheimer-Patienten geben, stellte Hanna Fischer-Wolter dar. Die Gemälde des Künstlers - der Werbeslogans wie "Alle reden vom Wetter. Wir nicht" schuf - verloren mit zunehmender Erkrankung an Darstellungsformen: Kinder erscheinen wie Fabelwesen, Kühe wie grob geschnitzte Holzfiguren, Augen haben keine Pupillen mehr.
"Für Angehörige ist die alleinige Betreuung kaum zu schaffen", meinte Voßkämper. Da ihnen meistens nicht einmal die Zeit für den eigenen Friseur- und Arztbesuch oder das Einkaufen bleibe, rät er zum Besuch der Erkrankten in einer Einrichtung wie dem Johanniter-Tagespflegehaus.
"Wenn im Alter die Leistungsfähigkeit schwindet, darf die Würde der Menschen nicht verloren gehen", betonte Wiehls Vizebürgermeisterin Bianka Bödecker, die Schirmherrin der Ausstellung. Sie sei froh, über das Engagement der Johanniter-Unfall-Hilfe in der Stadt Wiehl: "In ihren Einrichtungen praktizieren die Johanniter eine gelebte und gut organisierte Nächstenliebe."