1939: "Wiehl im Wandel der Zeiten", Beilage zum "Oberbergischen Boten"
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Auf dem Höhepunkt des Nationalsozialismus - wenige Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges - wurde jede sich bietende Gelegenheit wahrgenommen, um selbst ein alltägliches Geschehen als Erfolg dieser Partei zu feiern. Und so wundert es auch nicht, dass die Überschrift pathetisch lautete: "Der Nationalsozialismus hat die Gemeinden wieder lebensfähig gemacht".
Wir alle wissen, wie schnell diese Lebensfähigkeit der Städte und Gemeinden in einer Katastrophe endete.
"Das Schmuckstück im Mittelpunkt des Ortes", wie es der Oberbergische Bote damals bezeichnete, entging der Zerstörung und blieb bis heute weitgehend unverändert, wenn auch um einen "modernen" Anbau erweitert.
Eingang zum Sitzungssaal
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Wenn man die damals üblichen Lobhudeleien der Nazis als das nimmt, was sie waren: eine Verherrlichung der Partei und deren unfehlbarer Führung, so enthält diese Extraausgabe des "Oberbergischen Anzeigers" doch eine Reihe geschichtlicher Informationen, die auch heute noch erwähnenswert sind.
"An der Stelle, wo sich heute unserm Blick ein würdiges und stattliches Rathaus darbietet, befand sich von 1810 bis 1852 die Amtsstube des Gemeindeoberhauptes, wo gleichzeitig auch die Gemeinderatssitzungen stattfanden."
Auf Anordnung der Aufsichtsbehörde und aufgrund der dringend bestehenden Notwendigkeit eines eigenen Amtsgebäudes, habe der Gemeinderat am 24. Juli 1898 beschlossen, ein neben dem Postamt gelegenes Grundstück zu erwerben. Wegen der schlechten finanziellen Verhältnisse musste dieser Plan jedoch aufgegeben werden.
Es dauerte noch fast 40 Jahre, bis es der Gemeinde gelang, das Provisorium zu beenden und ein eigenes Rathaus zu bauen. Dieser Rathausbau wurde damals als "ein dringendes Gebot der Zeit" gefordert. Wenn man sich auch nicht dem schwülstigen Stil der Nazi-Rhetorik anschließen mag, so ist auch heute noch ersichtlich, dass nach 18 Jahren gemeinsamer Unterkunft von Rektoratsschule und Gemeindeverwaltung endlich eine Lösung gefunden werden musste.
Sitzungssaal
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Erwähnenswert ist sicherlich noch, dass die nach dem Rathausbau freiwerdenden Räume dringend gebraucht wurden, vor allem und - gesperrt gedruckt - , für "die Schaffung von Heimräumen der Hitler-Jugend" Wer die Zeit kennt, versteht auch, dass das besonders für die Hitler-Jugend eine provisorische Lösung bedeuten könnte und "der Bau eines entsprechenden H-J-Heimes demnächst ins Auge gefasst werden muss".
Man beachte die Prioritäten, die in der damaligen Zeit gesetzt wurden!
"Es verdient hervorgehoben zu werden, dass sich die Gemeinde dieser großen und schönen Aufgabe in jeder Hinsicht gewachsen gezeigt hat. Bürgermeister Kaufmann ist mit Mut und Entschlossenheit und mit anzuerkennendem Weitblick an dieses Werk herangegangen, das in völliger Einmütigkeit mit den berufenen Vertretern von Gemeinde und Partei und unter deren eifriger und hingebender Mitarbeit ausgeführt werden konnte. So ist in verständnisvoller Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen nicht nur ein Bauwerk entstanden.....sondern ein Baudenkmal von bleibendem Werte."
Trauzimmer
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"Einmütigkeit mit berufenen Vertretern von Gemeinde und Partei........"
Von gewählten Volksvertretern war keine die Rede. Das Volk wurde von linientreuen Parteimitgliedern vertreten, und zwar im Sinne dessen, was Partei und Führung beschlossen. Wie zum Hohn fuhr der Berichterstatter des "Oberbergischen Boten" dann fort: Der Gedanke der Selbstverwaltung eines Freiherrn vom Stein sei durch den Nationalsozialismus in den Gemeinden wieder lebendig geworden. Diese Selbstverwaltungsarbeit solle Ausdruck finden in den "Bauwerken der deutschen Gemeinden als Beweis opferfreudiger Arbeit am Gemeinwesen, um gleichzeitig auch Mut und Opfersinn im Geiste und Sinne der Menschen, die vor uns waren, wieder wach zu rufen."
Mut und Opfersinn, geläufige Vokabeln damaliger Zeit, deren verhängnisvolle Bedeutung im nachhinein schmerzlich bewusst geworden sind. Das Wiehler Rathaus hat das Chaos heil überstanden und ist damit tatsächlich heute noch ein Baudenkmal einer unrühmlichen Zeit, die wir nie vergessen sollten.
Marianne Stitz