sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Verwaltung,
meine sehr geehrten Damen, meine Herren,
„Im ersten Jahr meiner Amtszeit habe ich mich eher unfrei gefühlt, weil ich sehr darauf bedacht war, die Grenzen des Amtes nicht zu überschreiten. Mehr und mehr geriet dann aber auch der Reichtum der Möglichkeiten in mein Blickfeld.“
Mit diesem Zitat des scheidenden Bundespräsidenten Joachim Gauck endete kürzlich ein Interview in der Zeitung „Welt am Sonntag“. Ohne das höchste Amt des Staates mit dem Amt eines Bürgermeisters vergleichen zu wollen, so scheint es aus meiner Sicht jedoch zumindest Parallelen in den Empfindungen der jeweiligen Amtsträger zu geben. Und diese betreffen offensichtlich insbesondere das zitierte erste Jahr der Amtszeit.
Dieses erste Jahr als Bürgermeister der Stadt Wiehl liegt nun hinter mir. Meine persönliche Erkenntnis lautet: Reichtum der Möglichkeiten - ja, Reichtum an Haushaltsmitteln - nein.
Herr Stadtkämmerer Axel Brauer hat in seinen Ausführungen einen objektiven Blick auf die zurückliegende, aktuelle und zukünftige Haushaltsentwicklung der Stadt geworfen. Der Haushalt der Stadt Wiehl hat bereits seit dem Jahr 2013 ein strukturelles Defizit zu beklagen. Dieses setzt sich in der Prognose auch in den Folgejahren fort und könnte dann bereits im Jahr 2018 zum vollständigen Verzehr der sogenannten Ausgleichsrücklage Seite 2 von 18 und den sich im weiteren Verlauf möglicherweise ergebenden haushaltspolitischen Konsequenzen führen. Dies ist Fakt! Fakt ist aber auch, dass Wiehl, im Vergleich zu vielen anderen oberbergischen Kommunen, immer noch gut da steht und für die meisten Bürgermeister in der Region der Begriff „Ausgleichsrücklage“ seit vielen Jahren ein Fremdwort ist. Trotzdem investieren diese Städte Millionenbeträge in ihre Infrastruktur. Insofern mag man dem Kämmerer und mir ein gewisses „Klagen auf hohem Niveau“ vorwerfen. Ich klage jedoch lieber heute auf hohem Niveau, als in der Zukunft auf niedrigerem Niveau zu arbeiten.
Die Tatsache, dass unser Haushalt durch die sogenannten Transferaufwendungen in großen Teilen fremdbestimmt ist, treibt einem bisweilen ebenso die Zornesröte ins Gesicht, wie die Tatsache, dass die Kosten vom Bund initiierter Programme und Gesetze nur allzu oft bei den Kommunen verbleiben. Die angedachte gesetzliche Neuregelung zum Unterhaltsvorschuss, deren Sinnhaftigkeit ich an dieser Stelle keineswegs in Frage stellen möchte, wird die Stadt Wiehl vermutlich mehrere Hunderttausend Euro kosten. Kommunale Handlungsspielräume werden durch die Missachtung des Konnexitätsprinzips weiter eingeschränkt und zwingen die Kommunalverantwortlichen an anderer Stelle zu Einsparungen, für die die Bürgerinnen und Bürger dann kein Verständnis mehr haben. Schuld sind dann in der öffentlichen Wahrnehmung häufig die Bürgermeister und die jeweiligen Räte einer Stadt. Aus Sicht der Bevölkerung nachvollziehbar, von der Sache her – grotesk.
Die oben skizzierte Entwicklung kann und soll jedoch keine alleinige Erklärung, geschweige denn Entschuldigung für die in weiten Teilen kommunaler Haushalte anzutreffenden Defizite sein. Dies gilt auch für unsere Stadt. Die kommunale Finanzhoheit liegt bei den Kommunen und es ist Aufgabe ihrer Verwaltungen und politischen Vertreter, sie zum Wohle der Stadt und damit zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähig auszuüben.
Damit wir uns dieser Aufgabe verantwortungsvoll stellen, erinnere ich an meine Fragen an gleicher Stelle im letzten Jahr:
Was können wir uns noch leisten?
Was wollen wir uns noch leisten?
Und als zentrale Frage:
Was müssen wir uns noch leisten, um Wiehl in eine erfolgreiche Zukunft zu führen?
Diese Fragestellungen betreffen alle Aspekte städtischen Lebens und setzen, neben einer entsprechenden inhaltlichen Auseinandersetzung, auch den Willen zur erforderlichen Priorisierung von Zielen und Maßnahmen voraus.
Quo vadis Wiehl?
Diese Frage wird somit zum Ausgangspunkt aller Überlegungen und es ist unsere Aufgabe Antworten zu finden auf sich hieraus ergebende weitergehende Fragen nach der politischen Gestaltung unserer Stadt:
- Was sind die Ideen für die Zukunft unserer Stadt?
- Wie und wovon wollen wir zukünftig leben?
- Wie sichern und schaffen wir Arbeit?
- Wie und wo wollen wir zukünftig wohnen?
- Wie gestalten wir unsere Umwelt?
- Was bewirken Veränderungen für die kommunale Infrastruktur bei Kitas, Schulen, Verkehr und sonstigen Einrichtungen?
Die Bereiche Haushalt/Finanzen; demografische Entwicklung; Wirtschaft/Arbeit; Wohnen/Mobilität/Infrastruktur/Bildung/Kultur/Sport; Gesundheit/Soziales sowie Tourismus/Freizeit bilden zum gegenwärtigen Zeitpunkt die einzelnen Kapitel dieses strategischen Ansatzes.
In einer im Juli durchgeführten und extern moderierten zweitägigen Klausurtagung mit dem Verwaltungsvorstand, allen Fachbereichsleiterinnen und Fachbereichsleitern und den jeweiligen Stellvertreterinnen und Stellvertretern, dem Demografie-Beauftragten und weiteren Akteuren der Stadtverwaltung, wurde im ersten Schritt eine Bestandsaufnahme der oben genannten einzelnen Themenfelder analysiert und diskutiert. Als Grundlage diente hierzu eine, im Vorfeld von meinen Kolleginnen und Kollegen in kompetenter Form erbrachte Stärken/Schwächenanalyse sowie eine ebenfalls erbetene Einschätzung zu den jeweiligen Chancen und Risiken bei den jeweiligen Themenschwerpunkten. Diese fundierte Betrachtung der Ist-Situation war dann die Basis für die sich anschließende Diskussion und Formulierung von Zielen für die zukünftige Ausrichtung unserer Stadt.
Mir persönlich war dabei, neben dem Erlangen eines realistischen Blicks auf das Hier und Jetzt der Stadt, ebenso die Tatsache des gegenseitigen Informationsaustausches und der gemeinsamen Zielentwicklung im Kollegenkreis besonders wichtig.
In einer weiteren Klausurtagung im September diesen Jahres mit den gleichen Beteiligten, eines Vertreters des oberbergischen Kreises sowie dem Geschäftsführer des Köln-Bonn e.V., wurden die bis dato vorliegenden Teilergebnisse auf ihre regionale Interaktionsfähigkeit und –tauglichkeit hin bewertet und weiter konkretisiert. Eine für Wiehl erfolgversprechende Stadtpolitik muss sich an den regionalen Besonderheiten orientieren und diese zum Gegenstand ihrer Profilierung machen. Interkommunale Verbünde und Formen von Zusammenarbeit werden diesbezüglich eine immer größere Rolle spielen. Beispielhaft seien hier die Bereiche Gewerbe, Mobilität und Wohnen genannt.
Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,
ich freue mich, Ihnen heute einen ersten Bearbeitungsstand der Stadtstrategie Wiehl 2030 überreichen zu können. Wie gesagt, es handelt sich hierbei um einen ersten Entwurf, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat. Dieses ist auch bewusst so vorgesehen, weil es fester Wille der Verwaltung ist, mit Ihnen, meine Damen und Herren des Rates, gemeinsam die Ziele und Handlungsfelder und daraus abgeleitete Maßnahmen für die Stadt zu erarbeiten, zu diskutieren und wenn möglich weitestgehend konsensual zu formulieren. Eine Stadt kann sich nur positiv entwickeln, wenn wir dies gemeinsam tun. Dies ist meine feste Überzeugung und Wiehl ist hier auch immer mit gutem Beispiel vorangegangen. Wie Sie dem Entwurf für die Stadtstrategie entnehmen können, beinhaltet er in Teilbereichen auch bereits Maßnahmen, die Haushaltsplanrelevanz besitzen. Insofern eignet er sich auch als Informationsgrundlage für Ihre Beratungen.
Mit einer gewissen Spannung und viel Freude sehe ich insofern der für Mitte Januar terminierten Klausurtagung mit Vertretern aus diesem Gremium entgegen, um dann, in einem strukturierten, mit Expertenwissen versehenen Prozess, die Zukunft von Wiehl zu erörtern und sich auf weitere Arbeitsschritte und Inhalte zu verständigen. Sich anschließende weitere Klausurtagungen und Abstimmungsrunden werden sicherlich folgen müssen, um den Prozess bis Mitte des Jahres 2017 vorläufig zum Ende zu führen. Der Klarheit halber weise ich erneut darauf hin, dass am Ende dieses Weges auch feststehen sollte, welche Maßnahmen und Bereiche wir nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr finanziell bedienen wollen. Hierzu werden wir in Wiehl verstärkt lernen müssen, auch einmal „Nein“ zu sagen!
Aufgrund der mir nach einem Jahr Amtszeit als Bürgermeister vorliegenden Erkenntnisse weise ich darauf hin, dass ich nicht glaube, dass eine kurz- und mittelfristige Haushaltskonsolidierung allein durch eine Ausgabenreduktion erreicht werden kann! Hierfür sehe ich zu viele Herausforderungen und Schwerpunkte, deren Bewältigung für die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit unserer Stadt nahezu essentiell sind und keinen Aufschub dulden! Auch wenn diese bereits Gegenstand der Stadtstrategie Wiehl 2030 sind, möchte ich sie aufgrund der enormen Bedeutung im Folgenden näher beschreiben.
An erster Stelle nenne ich dabei das Angebot an ausreichenden Industrie- und Gewerbegebietsflächen. Der oberbergische Kreis ist das industrielle Herz der Industrieregion Köln. Die Vielzahl der in Wiehl ansässigen Industrie- und Gewerbebetriebe leisten hierzu einen wesentlichen Beitrag. Sie schaffen Arbeitsplätze und sichern über ihre Gewerbesteueraufkommen die Haupteinnahmequelle unserer Stadt. Sie sind somit das Fundament kommunaler Handlungsspielräume und damit gleichzeitig Voraussetzung für eine aktive und alle Facetten umfassende gestaltende Stadtentwick-lung. Ihre Standortsicherung sowie das Ermöglichen etwaiger Neuansiedlungen ist insofern die Kernaufgabe unseres politischen Auftrages. Und hiermit ist die Zurverfügungstellung ausreichender Gewerbe- und Industriegebietsflächen die zentrale Herausforderung. Unternehmen benötigen für ihre Wettbewerbsfähigkeit aus vielerlei Gründen Wachstum. Diesem Wachstum muss grade in unserer industriell geprägten Region ein entsprechendes Angebot an Flächen gegenüber stehen.
Die Notwendigkeit potentieller Erweiterungsoptionen ist in meinen bis dato rund 40 Firmenbesuchen sehr deutlich zum Ausdruck gekommen. Um den Betrieben und damit unserer Stadt eine langfristige Perspektive zu geben, hat die Verwaltung im März diesen Jahres ein Gewerbe- und Industrieflächenkonzept in Auftrag gegeben. Inhalt dieses Konzeptes ist, neben einer Bestandsaufnahme der noch zur Verfügung stehenden Flächenpotentiale, die Formulierung von zukünftigen Bedarfen und räumlichen Schlussfolgerungen.
Die seit wenigen Tagen vorliegenden Erkenntnisse sind eindeutig und ebenso schockierend wie zukunftsweisend. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um in dem anstehenden Änderungsverfahren zur Regionalplanung die städtischen Bedarfe und Belange klar zu formulieren und somit eine planerische Perspektive für uns und unsere Betriebe bis zum Jahr 2035 zu ermöglichen. Eine städtische Bodenbevorratungspolitik ist dabei ebenso unerlässlich wie die politische Auseinandersetzung und das klare politische Bekenntnis bei konkurrierenden Flächenansprüchen. Hier sind insgesamt 3.5 Mio. Euro veranschlagt worden.
Mit Freude und Stolz schauen wir am heutigen Tag auf die vor wenigen Stunden begonnenen Erschließungsarbeiten im Gewerbegebiet Bomig Süd. Hier ist es gemeinsam in wenigen Monaten gelungen, in einem komplexen planungsrechtlichen Umfeld die Voraussetzungen für die Ansiedlung eines in Wiehl noch nicht ansässigen Unternehmens mit bis zu 50 neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu schaffen. Zudem ermöglichen wir zwei Wiehler Unternehmen eine Expansion innerhalb unseres Stadtgebietes. Mein Dank gilt allen, die hierzu beigetragen haben.
Der oben geschilderte Prozess der Gewerbeflächenentwicklung zeigt aus meiner Sicht die wesentlichen Elemente nachhaltiger Stadtentwicklungspolitik auf.
Kluge Stadtentwicklungspolitik muss an Übermorgen denken.
Kluge Stadtentwicklungspolitik braucht Konzepte, Konzepte, Konzepte.
Kluge Stadtentwicklungspolitik muss in finanzielle Vorleistung treten.
Gleiches gilt auch für den Ausbau und die Ertüchtigung der kommunalen Infrastruktur. Ein großer Teil der finanziellen Mittel der Stadt Wiehl ist diesbezüglich im Haushaltsplanentwurf vorgesehen.
Dabei spielt die Versorgung der Gewerbebetriebe und der Haushalte mit einer leistungsfähigen Internetverbindung eine immer größere Rolle. Für die Betriebe in unserer Stadt ist das Internet inzwischen zu einem harten Standortfaktor, zu einem Muss, geworden.
Im Rahmen meiner Antrittsbesuche bei den Firmen ist dies immer wieder deutlich zum Ausdruck gekommen. Daher haben wir uns entschlossen, Ihnen vorzuschlagen, in den Wiehler Industrie- und Gewerbegebieten sukzessive und nachfrageorientiert ein Leerrohrsystem zu verlegen, um jedem Betrieb die Möglichkeit zu geben, Glasfaser bis auf das Grundstück zu erhalten. Beginnend in Bomig und folgend in Drabenderhöhe und Marienhagen wollen wir hier, vorbehaltlich weiterer Planungen, in den nächsten Jahren rund 1 Mio. Euro investieren.
Im Hinblick auf die Versorgung der Haushalte konnten im vergangenen Jahr bereits Brächen, Dahl, Siefen, Soelsiefen, Büttinghausen, oberes Bechtal, Remperg, Mühlen und Scheidt ausgebaut werden. In Kürze folgen nun die Wiehler Ortschaften Jennecken, Neuklef, Alperbrück, Mühlhausen, Morkepütz und Alpe. Für die Erschließung dieser Ortschaften mit schnellem Internet hat die Stadt Wiehl für das Haushaltsjahr rund 500.000 Euro vorgesehen. Mit den Maßnahmen der letzten Jahre sind dann insgesamt rund 2 Mio. Euro für schnelles Internet ausgegeben worden. Vom Bund und Land erhielten wir hierbei rund 1.1 Mio. Euro Fördermittel.
Zu unserer großen Freude haben wir jüngst, nach entsprechender Prüfung, ein Angebot der Telekom angenommen. Dieses Angebot beinhaltet die Sicherstellung der Versorgung von 95% der Anschlüsse in Wiehl mit mindestens 50 Mbit/s in den Jahren 2017/18. Spätestens 2018 werden dann über 4.000 Wiehler Haushalte durch den Eigenausbau der Telekom schnelleres Internet haben als heute.
Neben den Industrie- und Gewerbebetrieben sowie Privathaushalten hat der Internetzugang auch im öffentlichen Raum an Bedeutung gewonnen. Immer mehr Städte bieten kostenloses WLAN auf ihren Straßen, Wegen und Plätzen an. Um up-to-date zu sein und insbesondere für junge Bürgerinnen und Bürger attraktiv zu bleiben, haben wir in diesem Jahr ein kostenloses Netz für die Wiehler Innenstadt erarbeitet. Zwischen der Eishalle und dem Wiehlpark und vom Weiherplatz bis zum Busbahnhof kann man sich in Kürze in das neue leistungsstarke Wiehl-LAN einloggen, surfen und hat sofort Zugriff auf örtliche Angebote. Mit diesem Netz wollen wir zunächst erste Erfahrungen sammeln, um dann möglicherweise weitere besonders stark frequentierte Ortsteile mit WLAN zu versorgen. Aktuell verhandeln wir mit einigen Sponsoren, die wir benötigen, damit ein solches Netz kostenlos angeboten werden kann.
Ein aus fiskalischen Gründen nicht aufzuschiebendes Thema betrifft den zum Teil desolaten Zustand unserer Straßen. 90.000 Euro sind hier im ersten Schritt für ein Straßenkataster vorgesehen, mit dem der Zustand der kommunalen Straßen systematisch erfasst und bewertet werden soll. Dieses Kataster bildet wiederrum die Grundlage für ein langfristiges Sanierungskonzept für die Straßen in kommunaler Trägerschaft. Für die Sanierung und den Unterhalt der Straßen sind rund 730.000 Euro eingeplant worden.
Bereits bei meiner Haushaltsrede im letzten Jahr habe ich auf die Bedeutung der freiwilligen Feuerwehr für unser Gemeinwohl hingewiesen. Die Kameradinnen und Kameraden brauchen für ihre Tätigkeit eine optimale Ausstattung, um den Schutz unserer Bevölkerung maximal zu gewährleisten. Aus diesem Grund wurde für die Feuerwehr die weitere Ausstattung mit modernen Fahrzeugen im Gesamtwert von knapp 700.000 Euro eingeplant. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Fahrzeuge für die Löschzüge in Drabenderhöhe und Marienhagen sowie einen Kommandowagen für den Stadtbrandmeister. Für den Neubau des Feuerwehrhauses in Oberwiehl werden 4.3 Mio. Euro bereitgestellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
mit Ihrem Beschluss zum integrierten Handlungskonzept für Wiehl-Zentrum haben Sie eine zukunftsweisende und richtige Entscheidung getroffen. Gerade bei unserer polizentrischen Stadtstruktur braucht es, nicht zuletzt auch aus Identitätsgründen, eine starke Mitte. Dieses haben Sie erkannt und auf der Grundlage erkannter Defizite Veränderungsbereitschaft bewiesen. Mit der laufenden Umfeldgestaltung der „Wiehler Wasser Welt“ und dem Bau des Skaterparcours im Wiehlpark ist der Startschuss für die bauliche Umsetzung der ersten Maßnahmen erfolgt. Ein kürzlich von der Frau Regierungspräsidentin überreichter Förderbescheid über 5 Mio. Euro ist das Ergebnis engagierter Arbeit und in der Dimension, bezogen auf unsere Gemeindegröße, sicherlich einmalig. Mit diesem Bescheid werden eine Vielzahl von Konzepten und Planungen möglich, wobei hier sicherlich an erster Stelle der erste Bauabschnitt zur Sanierung des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums besondere Erwähnung finden sollte.
Im Hinblick auf das Gesamtmaßnahmenpaket des integrierten Handlungskonzeptes stehen wir somit am Anfang eines tiefgreifenden und langjährigen Stadtumbauprozesses in unserer Wiehler Innenstadt. Das von Seiten des Landes NRW bescheinigte Gesamttestat von über 50 Mio. Euro Investitionsvolumen bildet hier einen Rahmen, welcher jedes Jahr mit klugen Konzepten und ausgereiften Förderanträgen mit Leben gefüllt werden muss und auch sollte. Nicht zuletzt aus diesem Grund, sondern alleine auch aus der Tatsache des erforderlichen finanziellen Engagements der Stadt Wiehl mit einem 50%igen Eigenanteil, stellt sich somit in der jetzigen Phase zwangsläufig die Frage der Sinnhaftigkeit, der Nachhaltigkeit und der Priorisierung der einzelnen Bausteine des integrierten Handlungskonzeptes.
Mit dieser Frage ist unmittelbar der Wunsch und Anspruch nach der jeweils besten Lösung verbunden, der für uns aufgrund des enormen Einsatzes von Steuermitteln auch gleichzeitig Verpflichtung sein sollte. Insofern plädiere ich für eine Entschleunigung von reiner Bautätigkeit und für eine Beschleunigung von Qualifizierungsverfahren und konzeptioneller Durchdringung im Vorfeld der baulichen Umsetzung. Entscheidend, meine Damen und Herren, ist die Zeit vor dem ersten Spatenstich! Und diese Zeit sollten wir uns nehmen!
Zur Erreichung des Ziels der besten Lösung und damit ist nicht die teuerste gemeint, hat die Verwaltung einen Stadtentwicklungsbeirat eingerichtet, welcher aus Professoren, Experten und hochrangigen Vertretern des Landes NRW aus den Bereichen Architektur, Städtebau, Landschaftsarchitektur, Verkehr und Einzelhandel besteht. Dieser Beirat berät die Verwaltung nicht nur im Rahmen des integrierten Handlungskonzeptes Wiehl, sondern auch bei anstehenden Planungen und Maßnahmen im gesamten Stadtgebiet. In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass die nächste Beiratssitzung sich mit der Zukunft von Drabenderhöhe beschäftigen wird.
In Bezug auf Wiehl-Zentrum schlagen wir Ihnen als Ergebnis der bislang erfolgten Beratungen für das Jahr 2017 folgende Vorgehensweise und Zeitschiene vor:
1. Kurzfristige Beauftragung eines kommunalen Handlungskonzeptes „Wohnen“. Ziel dieses Konzeptes ist, gestützt auf einer Situationsanalyse, Handlungsmaßnahmen für eine aktive Gestaltung des Wohnungsmarktes und der Wohnflächenentwicklung aufzuzeigen. Dabei ist, neben der Analyse der vorhandenen Nachfragestruktur, auch der Abgleich der vorhandenen und zukünftig aktivierbaren Flächenpotentiale von Belang. Die regionale Lage der Stadt Wiehl im Hinblick auf den Agglomerationsraum der Rheinschiene bedarf dabei einer besonderen Betrachtung. Eine entsprechende finanzielle Förderung dieses Konzeptes, welches die gesamte Stadt zum Gegenstand der Untersuchung hat, konnte bereits erfolgreich realisiert werden. Der Aspekt eines attraktiven Wohnungsstandortes an integrierten Standorten (Ortszentren) wird in der Bedeutung als Standortfaktor für eine Stadt massiv an Relevanz gewinnen. Ergebnisse aus dieser Beauftragung werden bis zur Jahresmitte 2017 erwartet.
2. Ebenfalls kurzfristige Beauftragung eines Verkehrskonzeptes mit der Vertiefung Parkraum. Aufbauend auf einer Status-Quo-Betrachtung werden auch hier entsprechende Handlungsempfehlungen formuliert. Diese Studie dient zum einen der bedarfsgerechten Befriedigung der anzutreffenden und zukünftig zu erwartenden Parkplatzsuchverkehre. Zum anderen soll sie aber auch Aufschlüsse geben, inwieweit potentielle Freiflächen einer Bebauung oder sonstigen Nutzung zugeführt werden können, um damit den vorzufindenden Flächenengpässen in der Innenstadt für Dienstleistungen und Wohnungen entgegenzutreten. Auch hier erwarten wir bis Mitte des nächsten Jahres entsprechende Erkenntnisse.
3. Aufbauend auf den oben beschriebenen Konzepten ist für das Sommersemester ein Studentenworkshop von Absolventen des Masterstudienganges der Masterstudiengänge Architektur/Landschaftsarchitektur vorgesehen, welcher sich schwerpunktmäßig mit der Zukunft des Weiherplatzes und der angrenzenden Handelsbereiche beschäftigt. Nicht zuletzt aufgrund der zu bedauernden, aber von der Stadt nicht zu beeinflussenden Aufgabe des Edeka-Marktes, ergibt sich hier Handlungsbedarf. So sollen im Rahmen des Studentenworkshops auf der Basis einer ebenfalls bereits beauftragten einzelhandelsfachlichen Beurteilung erste Ideen für die Zukunft des Weiherplatzes entwickelt werden. Wie Handel funktioniert ist allerdings Sache des Handels. Es ist aber Aufgabe der Stadt, sich mit den baulichen Strukturen von Handel auseinanderzusetzen und strategisch zu denken. Hierzu gehört auch eine Ansiedlungspolitik, die sich möglichst frühzeitig mit den Folgen privater Investitionsentscheidungen auseinandersetzt, abwägt und darauf aufbauend Entscheidungs- und Lösungsvorschläge ermittelt. Dieser Verantwortung wollen wir mit dem nun eingeschlagenen Weg Rechnung tragen.
In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die im vergangenen Monat erfolgte Beauftragung für das ebenfalls mit Städtebaufördermitteln mitfinanzierte Citymanagement. Nur im Miteinander von Eigentümern, Händlern, Stadt und sonstigen Akteuren kann es gelingen, Wiehl als Handelszentrum weiter zu entwickeln. Ich bin zuversichtlich, dass wir hier gemeinsam tragfähige Konzepte entwickeln werden und freue mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen auf die Auftaktveranstaltung im ersten Quartal des neuen Jahres.
4. Nach Vorliegen der unter Punkt 1. und 2. genannten Konzepte, soll für das Promarkt-Gelände im Sommer nächsten Jahres eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden. Im Rahmen dieser Studie werden städtebauliche, architektonische und freiraumplanerische Varianten für eine Nachfolgenutzung dieses so wichtigen Areals betrachtet. Hieraus resultieren wiederum Empfehlungen für einen sich anschließenden großräumigen Wettbewerb, welcher in der planerischen Dimension den kompletten Wiehlpark und den alten Kurpark zum Gegenstand der Wettbewerbsaufgabe haben soll.
5. Mit Wettbewerben erreicht man ehesten die bestmöglichen Lösungen für eine Stadt. Konkurrenz belebt hier das Geschäft. Im Zuge einer definierten Aufgabenstellung treten verschiedene Teams aus den Disziplinen des Städtebaus, der Architektur und der Landschaftsarchitektur gegeneinander an. Eine auch mit politischen Vertretern besetzte Jury wählt die jeweiligen Preisträger aus. Der erste Preis soll dann zur Umsetzung gelangen.
Einen solchen Wettbewerb soll es sowohl für die Nord-Süd-Achse der Stadt vom Weiherplatz bis zum Bahnhof (Wettbewerbgestaltung öffentlicher Räume in der Innenstadt) sowie die Ost-West-Achse vom Sportplatz bis einschließlich zum Wiehlpark (Wettbewerb Freiflächengestaltung Wiehlaue) geben. Eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in diesen Verfahren versteht sich von selbst.
Die zuständigen Stellen im Städtebauministerium NRW sowie bei der Bezirksregierung Köln begrüßen ausdrücklich die zuvor skizzierten Qualifizierungswege und haben überdies ihre Bereitschaft erklärt, auch als Jurymitglieder zur Verfügung zu stehen. Aus diesem Grund ist es auch abgestimmt, die damit anfallenden Kosten zum Gegenstand des Förderprogramms für das Programmjahr 2017 zu machen.
Ebenfalls ist die fördertechnische Beantragung für den zweiten Bauabschnitt des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums in der Größenordnung von weiteren fast 4 Mio. Euro erfolgt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
inmitten des Zentrums von Wiehl verläuft die sich im Eigentum der Stadt befindliche Bahntrasse der Wiehltalbahn. Der Verlauf dieser Bahntrasse verbindet überdies die Ortsteile Weiershagen, Bielstein, Wiehl Zentrum und Oberwiehl. Allein aus diesem Trassenverlauf zeigt sich die enorme stadtentwicklungspolitische Bedeutung dieser Eisenbahninfrastruktur für die Stadt Wiehl.
Aufgrund der von uns zu akzeptierenden einschlägigen Rechtsprechung ist vom langfristigen Erhalt dieser Bahntrasse auszugehen. Dies mag der ein oder andere zwar bedauern, mehr gilt es jedoch die Chancen zu sehen, die mit diesem Trassenverlauf verbunden sein können. Chancen im Hinblick auf eine Nutzbarkeit, die über eine gelegentliche Benutzung für Tourismusfahren hinausgehen sollten. Aber auch dieses kann nur gemeinsam und einvernehmlich mit den Bahnbeteiligten erfolgen.
Auf unsere Initiative hin suchen wir, unter Moderation der Bahnflächengesellschaft NRW, das Gespräch, um dieses enorme Potential für die Stadt zu diskutieren und etwaige Nutzungsüberlegungen auf ihre Machbarkeit zu überprüfen. Es gebietet der Respekt gegenüber den Gesprächspartnern der Bahn, vorliegende städtische Ideen und Gedankenansätze zunächst mit ihnen zu erörtern. Insofern möchte ich es mit diesen Ausführungen bewenden lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat der Stadt,
die bisherigen Ausführungen meiner Haushaltsrede geben einen Überblick und Ausblick über wesentliche Eckpfeiler, Maßnahmen und Verfahrensvorschläge für die zukünftige Ausrichtung unserer Stadt.
Bei der Analyse des Haushaltsplanes erkennen Sie, dass es sich hierbei um keine abschließende Darstellung handelt und auch nicht handeln kann. Und Sie erkennen, dass wir, bei aller Bedeutung für das Zentrum von Wiehl und der damit verbundenen Schwerpunktsetzung, auch die sonstigen Ortsteile nicht aus dem Blick verlieren.
Besonders hervorheben möchte ich jedoch den geplanten Ausbau des Adele-Zay-Kindergartens in Drabenderhöhe. Er ist die Konsequenz einer erfreulichen Entwicklung, die mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln einer Kommune nur bedingt beeinflussbar sind: Es werden in Wiehl wieder mehr Kinder geboren!
Viele Kinder, Frauen und Männer unterschiedlicher Nationalitäten suchten im vergangenen Jahr in Wiehl das, was sie aufgrund von Kriegen, Vertreibung und Todesängsten verlassen mussten: Heimat!
Die Flüchtlingsbewegung und ihre Bewältigung waren auch in Wiehl das alles dominierende Thema des vergangenen Jahres. Derzeit leben 394 Asylbewerber oder ehemalige Asylbewerber mit einer bis zu dreijährigen Aufenthaltsdauer in Wiehl. Es handelt sich hierbei um Menschen aus Syrien, Albanien, Irak, Guinea, Pakistan, Serbien, Bangladesch, Eritrea und Marokko. Im Jahr 2015 bestand die Aufgabe in der Organisation von Versorgung, Wohnraum und Sicherstellung des Lebensunterhalts. Durch den unermüdlichen und bedingungslosen Einsatz meiner Kolleginnen und Kollegen im Rathaus, insbesondere der vielen ehrenamtlichen Helfer ist hier Großartiges geleistet worden. Hier wurde nicht gefragt, hier wurde gehandelt! Respekt, Anerkennung und schlichtweg Danke!
In den kommenden Jahren wird die wesentliche Aufgabe darin bestehen, eine sinnvolle Integration weiterzuführen und zu begleiten. Im Rahmen eines Integrationskonzeptes werden wir uns hierbei mit den Aspekten Hilfe zur Selbsthilfe, Bürgerschaft und Ehrenamt, Sprache und Arbeit sowie Leben vor Ort und im Ort beschäftigen. Dabei werden wir nicht nur auf die Unterstützung der Bürgerschaft und ehrenamtlichen Helfer, sondern auch auf die heimische Wirtschaft angewiesen sein. Aber ich bin mir sicher, auch dieses wird gelingen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Rat,
die Durchführung der in meiner Rede angesprochenen und im Haushaltsplan vorgesehenen Maßnahmen setzt eine leistungsfähige und kompetente Verwaltung voraus. Diesbezüglich habe ich in meinem ersten Jahr viele engagierte Kolleginnen und Kollegen kennen und schätzen gelernt. Die Mitstreiterinnen und Mitstreiter der Verwaltung sind nicht nur die wichtigste Ressource für einen Bürgermeister, sondern auch für Sie. Es ist das Primat der Politik zu entscheiden. Aber es ist Verpflichtung und Anspruch der Verwaltung zugleich, ihre Entscheidungen fachlich fundiert vorzubereiten. Dafür werden wir bezahlt. Um auch hier zukünftig aufgestellt zu sein, investieren wir zurzeit in eine umfassende Führungskräfteentwicklung. Fragen einer optimalen Aufbau- und Ablauforganisation der Verwaltung, welche sich spätestens nach dem Vorliegen der Erkenntnisse der Stadtstrategie ergeben werden, müssen beantwortet werden. Auch die Aufstellung eines Personalentwicklungskonzeptes ist dabei unerlässlich.
Ein besonderes Gewicht wird zukünftig der Öffentlichkeitsarbeit zukommen, um die Bürgerinnen und Bürger über die anstehenden Konzepte und städtebaulichen Entwicklungen umfassend zu informieren, Entscheidungen zu erklären und sie am Prozess teilhaben zu lassen.
Ich komme zum Schluss meiner Ausführungen und erinnere an das Eingangszitat von Herrn Bundespräsidenten Joachim Gauck. „Mehr und mehr geriet dann aber der Reichtum der Möglichkeiten in mein Blickfeld.“
Nutzen wir gemeinsam diesen Reichtum an Möglichkeiten, um im Ringen um die beste Lösung, die Stadt in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft zu führen.
Motivation sollten uns allen dabei die vielen positiven Ereignisse des vergangenen Jahres geben:
- Die Fertigstellung der Freizeitanlage in Bielstein
- Der Einsatz des Bauwagens als mobiler Jugendtreff
- Der Spatenstich für den Scaterparcour im Wiehlpark
- Der Baubeginn des Gewerbegebietes Bomig-Süd
- Die 80-Jahrfeier im Freibad Bielstein
- Der Spatenstich für den Dorfplatz in Weiershagen
- Viele positive Begegnungen und lachende Kinderaugen im Rahmen der Neubürgerempfänge
- Der Verlauf der Genesung unseres Kollegen Udo Kolpe
…und vieles mehr
Erkennen auch wir die Zeichen der Zeit und nehmen uns:
- Zeit für den klaren Blick
- Zeit für Reflektion
- Zeit für unbequeme Entscheidungen
- Zeit für ein Miteinander
- Zeit für das Beste
- Zeit für Wiehl.