"Wie eine große Wohngemeinschaft"

(5. Mai 2005) In den ersten 100 Tagen wurden im Johannes-Hospiz im oberbergischen Wiehl 15 Menschen bis zu ihrem Tod begleitet.
"Wenn deine Lebenslinie normalerweise geradeaus geht, dann macht sie mit der Chemotherapie plötzlich eine Kurve. Ich konnte nichts mehr essen und hatte überhaupt keine Kraft mehr", beschreibt ein Bewohner des Johannes-Hospiz die Folgen seiner Krebserkrankung. An seinem Lebensende kam der 68-Jährige in das Sterbehaus der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) Rhein.-/Oberberg im oberbergischen Wiehl und wurde dort bis zu seinem Tod betreut. Neben der Schmerztherapie linderten Gespräche und Zuwendung sein Leiden. "Er war froh, Menschen um sich zu haben, und er hat uns jeden Tag aus seinem Leben erzählt", berichtet Hospizleiterin Gerlinde Tuzan.

Das weltweit erste Hospiz der Johanniter und einzige stationäre Sterbehaus im Oberbergischen Kreis nahm am 2. Februar 2005 seine Arbeit auf. In den ersten 100 Tagen wurden bis jetzt 22 Menschen im Alter zwischen 35 und 90 Jahren sowie ihre Angehörigen und Freunde betreut. Bis zu ihrem Tod begleitet wurden 15 Sterbende. Die Gäste, so werden die Bewohner hier genannt, wohnten zwischen einem Tag und zwei Monaten im Johannes-Hospiz.

Intensiv gelebte Zeit

"Wir sind keine Endstation", betont Hospizleiterin Tuzan. Viel mehr werde die im Hospiz verbrachte Zeit von den Gästen sehr intensiv erlebt und gelebt: "Das Sterben steht bei uns nicht im Mittelpunkt." Manche Menschen schrecke der Einzug in das Johannes-Hospiz ab, hat Tuzan erlebt. "Obwohl sie die Überweisung des Arztes bekommen, scheuen sie vor diesem Schritt zurück, da er ihnen die Endgültigkeit ihres Sterbens vor Augen führt." Einer der Hospiz-Bewohner sei nun allerdings wieder entlassen worden: "Seine Lage hatte sich bei uns so weit stabilisiert, dass er in ein Pflegeheim verlegt werden konnte." Noch viel mehr Zeit als für die medizinische Pflege werde im Hospiz für die Gespräche mit den Sterbenden und ihren Angehörigen aufgebracht, berichtet Leiterin Gerlinde Tuzan. "Angesichts ihres Todes durchleben die Menschen ganz unterschiedliche und heftige Gefühle." Sie haderten mit Gott, seien aggressiv, depressiv und traurig. Verstärkt werde das gerade in dieser Jahreszeit: "Wenn im Frühling alles blüht und auflebt, ist das eigene Sterben kaum zu verkraften." Groß sei der Bedarf der Hospizbewohner, offen und vor allem ehrlich über alles zu reden. "Denn am Lebensende machen das eigene Vortäuschen und das sich selbst Belügen keinen Sinn mehr", so Tuzan.

Die Gespräche ergeben sich meist beim alltäglichen Miteinander: "Dann reden wir beim gemeinsamen Frühstück oder wenn wir zusammen auf der Terrasse sitzen." Das Leben im Hospiz spiele sich oft wie in einer großen Wohngemeinschaft ab: "Dazu gehört, dass auch die Mitarbeiter von sich erzählen und den Bewohnern ihre Offenheit anbieten." Täglicher Umgang mit dem Sterben

Täglicher Umgang mit dem Sterben

"Wir müssen immer wieder den richtigen Grad zwischen Nähe und Abstand zu den Gästen finden", meint Tuzan. Kein Mitarbeitender dürfe mit den Sterbenden mitleiden: "Das kann man auf Dauer nicht aushalten, und es hilft auch den Todkranken nicht." Durch die tägliche Konfrontation mit dem Tod habe sie selbst gelernt, das Leben zu schätzen und es bewusst und intensiv zu erleben, sagt Tuzan.

Damit sie die Begleitung der Sterbenden verarbeiten, gibt es für alle Pflegekräfte Supervision sowie monatliche Fortbildungen und Team-Gespräche. Auch die ausgebildeten Ehrenamtlichen der im Haus tätigen ambulanten Malteser-Hospizgruppe nehmen regelmäßig an Supervisionen und Weiterbildungen teil. "Diese gut funktionierende Zusammenarbeit von zwei Trägern in einer Einrichtung hat Modellcharakter", erklärt Barbara Schäfer, die Leiterin der Malteser-Hospizgruppe.

Kontakt und Informationen:

Johannes Hospiz Oberberg
Tannhäuserstraße 29a 51674 Wiehl

Pflegedienstleitung:
Frau Gerlinde Tuzan
Telefon: (02262) 69 22 22
E-Mail: [email protected]