Wirtschaftliche Entwicklung in Wiehl

Das Oberbergische war früher ein denkbar ärmlicher Landstrich, denn die bis ins 19. Jh. vorherrschende Landwirtschaft wurde durch die Natur nicht gerade begünstigt. Nebenerwerb im Bergbau, in Hütten- und Hammerwerken und im Betrieb zahlreicher Mühlen suchte die Bevölkerung daher schon früh; seit dem ausgehenden Mittelalter nahmen diese Aktivitäten dann immer mehr zu. Dass manche Familien, die häufig zugleich in der Landesverwaltung verankert waren, im 18. Jh. einen bemerkenswerten Aufstieg vollziehen konnten, resultierte denn auch nicht zuletzt aus einer Betätigung als Berg- oder Hüttengewerke oder aus dem Betrieb von Hammerwerken.

Das um 1720 von dem Bergvogt, gräflichen Rat und selbst als Gewerke aktiven Christian Schmidt begründete Burghaus in Bielstein oder die 1774 von dem Schultheißen, Hammerwerkbesitzer sowie Berg- und Hüttengewerken Christian Reusch in Kleinfischbach errichtete, so genannte Vogtei zeugen von einem beachtlichen Wohlstand ihrer Erbauer. Neben solchen Erwerbsquellen vor Ort, die nur eine Minderheit ernähren, geschweige denn reich machen konnten, wurden aber auch außerhalb der engeren Heimat Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht.

Der Sachsengängerei, das heißt einer saisonalen Wanderarbeit als Maurer und Pflasterer in den Städten insbesondere des Wuppertales, gingen regelmäßig in der schönen Jahreszeit auch viele Wiehler nach; der Höhepunkt dieser Entwicklung war erst Mitte der 1870er Jahre überschritten. Die oberbergische Wirtschaft machte in der ersten Hälfte des 19. Jh.s einen stürmischen und schmerzhaften Strukturwandel durch. Viele Hammerwerke und andere metallgewerbliche Betriebe unterlagen dem verschärften Wettbewerb. In Wiehl bestanden nur wenige risiko- und innovationsbereite Unternehmen dieser Branche fort, aber einige bis heute. Zu erwähnen wäre der Ohler Hammer der Firma Gebrüder Reusch, die von Nachkommen des bereits erwähnten Christian Reusch betrieben wurde. In den 1860er Jahren wurde am Ohler Hammer die Achsen- und Anfang der 1880er Jahre auch die Patentachsenproduktion aufgenommen. Kaufmännische Probleme und die unzureichende Verkehrsanbindung Wiehls, das erst 1897 einen Anschluss an das Eisenbahnnetz erhielt, waren Gründe für die Betriebseinstellung 1895/96. Das Werk, die Produktionsanlagen und die Mehrheit der Belegschaft wurden von der 1898 gegründeten Firma BPW Bergische Patentachsenfabrik Wiehl übernommen. Die von dem Wiehler Unternehmen in den 1920er Jahren eingeführte Rollenlagerachse revolutionierte den Anhängerbau. Heute ist die BPW Bergische Achsen Kommanditgesellschaft eine international tätige Unternehmensgruppe mit weltweit rund 3.700 Beschäftigten.

Risikobereitschaft zeichnete auch Carl Kind aus, der 1888 in Bielstein zwei verfallene Eisenhämmer aufgekauft hatte. Ein wesentliches Element der Entwicklung von dem mit Wasserkraft angetriebenen Hammerwerk zum modernen Edelstahlwerk mit rechnergestützter und zertifizierter Fertigung war der Qualitätsgedanke, der im Hause Kind schon immer groß geschrieben wurde. Die Standorte von untergegangenen Hammerwerken wurden ab der zweiten Hälfte des 19. Jh.s häufig von der aufkommenden Textilindustrie übernommen. Einige Unternehmen der Branche erreichten eine beachtliche Größe und produzierten noch bis in die 1950er Jahre. Schon früher stellte die Bielsteiner Textilfabrik Kind & Kattwinkel ihren Betrieb ein, um die Jahrhundertwende wurde sie ein Opfer des damals im Kreis grassierenden Spinnereisterbens. Ernst Kind beschloss daraufhin, umzusatteln und künftig einen anderen Stoff zu produzieren. Im Jahre 1900 gründete er die Bielsteiner Adlerbrauerei, die heute als Erzquell Brauerei Bielstein firmiert.

Im Jahre 1901 wurde hauptsächlich auf Initiative des Bielsteiner Bürgermeisters Heinrich Brindöpke die Vereinigte Sparkasse der Homburgischen Gemeinden zu Wiehl gegründet. Sie und ab 2019 ihr Nachfolgeinstitut, die Sparkasse Gummersbach, spielte eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung in ihrem Geschäftsgebiet.

Zu Beginn des 20. Jh.s neigte sich schließlich die traditionsreiche Zeit des oberbergischen Bergbaus ihrem Ende entgegen. Seit dem ausgehenden 19. Jh. boten für mehrere Jahrzehnte die Steinbrüche im Wiehltal vielen Menschen Beschäftigung. Erstmals überstieg damit das Stellenangebot vor Ort die Zahl der einheimischen Arbeitsuchenden. Wichtige Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur dieses lange Zeit recht abgelegenen Raumes waren im 19. Jahrhundert der Bau der Wiehlstraße, der in den 1850er Jahren erfolgte, sowie der vergleichsweise spät erlangte Anschluss an das Eisenbahnnetz 1897, im 20. Jh. die 1976 für den Verkehr freigegebene Autobahnstrecke Köln-Olpe mit der Anschlussstelle Gummersbach/Wiehl am Bomiger Kreuz und der zweiten Anschlussstelle Wiehl/Bielstein, die 1978 eröffnet wurde.